Berlin Tausende Überwachungsgegner protestieren

Berlin · Demonstrationen gegen Überwachungsprogramme der Geheimdienste zogen bisher oft nur einige hundert Teilnehmer an. Doch zwei Wochen vor der Bundestagswahl legen die Überwachungsgegner nach: Mehrere tausend Menschen fordern ein Ende staatlicher Schnüffelei.

Mehrere tausend Menschen haben in Berlin unter dem Motto "Freiheit statt Angst" gegen staatliche Überwachung protestiert. Mit Schildern und Transparenten wie "Interessante Menschen haben Geheimnisse" forderten die Demonstranten am Samstag ein Ende staatlicher Überwachungsprogramme. "Es kann nicht sein, dass man die Daten von allen Bürgern abgreift", sagte Frederic Krumbein von Amnesty International Berlin.

Mehrere Redner riefen dazu auf, die schwarz-gelbe Bundesregierung abzuwählen. "Wir wollen sicher vor Überwachung leben. Dafür gehen wir heute auf die Straße, und dafür gehen wir in zwei Wochen an die Wahlurne", sagte Kai-Uwe Steffens vom Arbeitskreis gegen Vorratsdatenspeicherung.

Laut Veranstalter-Angaben nahmen mehr als 20.000 Menschen an der Demonstration teil. Andere Beobachter gingen von mehr als 10.000 Teilnehmern aus. Die Berliner Polizei wollte keine Angaben dazu machen.

Mehrere Parteien beteiligten sich an der Demonstration, darunter die Piraten, die Grünen, die Linke und die Jugendorganisation der FDP. Sie wolle für eine offene Gesellschaft kämpfen, sagte die politische Geschäftsführerin der Piraten, Katharina Nocun.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Renate Künast, verwies auf offene Fragen zur Rolle der deutschen Nachrichtendienste. "Beim Bundesnachrichtendienst ist die Aufklärung noch im Gange", sagte sie der Nachrichtenagentur dpa.

Der amerikanische Internetaktivist Jacob Appelbaum betonte die Vorreiterrolle von Deutschland als Land, in dem Datenschutz vielen Menschen besonders wichtig sei. "Es gibt keine solchen Proteste in meinem Land", sagte er über die USA. Die Demonstranten rief er auf, von deutschen Diensten und der Politik Konsequenzen zu verlangen. "Wenn Deutschland umschwenkt, schwenkt der Rest um."

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sprach sich am Samstag im Sender WDR 5 dafür aus, ein Gütesiegel für Internetdienste zu entwickeln.

Angesichts der neuesten Enthüllungen über die Praktiken des US-Geheimdienstes NSA sagte er, es müssten vertrauenswürdige Dritte mit hoher Sachkenntnis eingeschaltet werden, die die Internetdienste bewerten. "Das würde uns weiterhelfen und das Vertrauen in elektronische Dienste noch einigermaßen erhalten."

Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte der "Rhein-Zeitung" (Samstag), absolute Sicherheit im Netz könne man in Deutschland nicht garantieren. "Das Netz ist anfällig dafür, abgehört zu werden. Ich glaube nicht, dass wir die Internetnutzer hundertprozentig schützen können - es sei denn, die Wirtschaft erfindet Abwehrinstrumente."

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort