"Es macht keinen Spaß mehr" Red Bull beim Heimspiel nur noch graue Maus

Spielberg bei Knittelfeld · Mit reichlich Pomp feiert Red Bull beim Großen Preis von Österreich die Formel 1 und sich selbst. Nur das Sportliche will nicht zur gigantischen Werbeveranstaltung passen: Vettels Ex-Rennstall, einst Branchenführer, ist längst eine graue Maus.

Red Bull fährt mit Weltkriegs-Tarnung
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Das Symbol für Kraft und Überlegenheit steht riesenhaft auf einer Anhöhe. Ein stählerner Stier erhebt sich an der Rennstrecke in Spielberg, 15 Meter hoch und fast 70 Tonnen schwer, nimmt der Koloss einen imaginären Gegner auf die vergoldeten Hörner. Überdimensional und protzig ist das, aber auch ästhetisch und beeindruckend. Und es passt bestens in Red Bulls riesiges Marketingpuzzle rund um den Großen Preis von Österreich - nur das Sportliche will sich überhaupt nicht mehr ins Bild fügen.

Der frühere Rennstall von Sebastian Vettel ist längst zu einer grauen Maus verkommen, Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz kokettiert mal wieder öffentlich mit einem Formel-1-Ausstieg, und ausgerechnet beim Heimspiel in Österreich droht dem einstigen Branchenführer ein echtes Debakel. "Wir sind an einem schwierigen Punkt angelangt, es macht keinen Spaß mehr", sagt sogar Daniel Ricciardo, der ewig gut gelaunte Australier: "Ich bin ein positiver Typ, kann mich leicht motivieren - aber sogar ich war zuletzt ziemlich am Boden."

Nicht einen einzigen Podestplatz fuhr man in diesem Jahr ein, fast immer dümpeln die Bullen im Mittelfeld herum. Und ausgerechnet für Spielberg plant Teamchef Christian Horner nun den folgenschweren Einsatz des fünften Motors, möglicherweise in beiden Autos. Hintergrund: Die resultierende Zehn-Plätze-Strafe fällt beim Heimspiel kaum ins Gewicht - weil Red Bull sich hier ohnehin kaum Chancen ausrechnet. "Wir müssen damit rechnen, dass wir in der letzten Startreihe stehen", sagt Horner.

Von Dominanz zum Absturz

Nach vier WM-Titeln von 2010 bis 2013 und beinahe beliebiger Dominanz ist all das ein Absturz, der seinesgleichen sucht - und der so gar nicht in die Erfolgsgeschichte passt, die Red Bull in diesem Sport geschrieben hat. Der Getränkeriese hatte den Namen eines Energy Drinks wie selbstverständlich zum Namen eines Formel-1-Teams gemacht. Plötzlich verloren Ferrari, McLaren, Mercedes und Williams gegen Red Bull - die Österreicher hatten den Mount Everest der Werbestrategen erklommen.

Auch weil der Renault-Motor im Heck des aktuellen Boliden einfach zu wenig leistet, dreht sich das nun allerdings um. Doch selbst bei Red Bull Racing reift mittlerweile die Erkenntnis, dass der Antrieb nur ein Teil des Problems ist. "Wir müssen ergebnisoffen an einige Dinge herangehen", sagte Ricciardo im Gespräch mit dem Fachportal f1i.com und forderte eine kleine Revolution: "Vielleicht hat sich bei uns gar nicht viel geändert, aber der Sport hat sich eben weiterentwickelt. Und dann müssen wir auch etwas tun."

Auch Mateschitz höchstpersönlich sieht eine Sackgasse. Die einstige Stärke bei der Aerodynamik ist dem Team durch Regeländerungen genommen worden - und ein Wechsel des Motorenherstellers sei auch keine Lösung. Der 71-Jährige glaubt nicht, dass Ferrari oder Mercedes sein Team mit einem ebenbürtigen Antrieb ausstatten würden.

"Mit so einem Kundenmotor wirst du nie mehr Weltmeister werden", sagte Mateschitz bei Speedweek.com: "Und wenn wir sehen, dass wir keine Chance auf einen Titel mehr haben, dann verlieren wir ganz einfach die Lust. Wir sind schlechte Edelkomparsen."

Die Haut des stählernen Stiers in der Steiermark ist übrigens mit einer rostigen Schicht überzogen. Das war von den Künstlern so gewollt. Ähnlichkeiten mit dem aktuellen Zustand des einstigen Ausnahmerennstalls sind rein zufällig.

(sid)
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