Borussia Mönchengladbach Bremse ohne Not und Bonhofs Nachfolger

Mönchengladbach · In Max Kruse und Christoph Kramer absolvierten zwei Schlüsselspieler am Samstag ihr letztes Spiel im Borussia-Trikot. Trotzdem überstrahlten zwei andere ihren Abschied, die gar nicht mehr auf dem Platz standen – obwohl nicht jeder sich gegen den FC Augsburg ans Drehbuch hielt.

Bundesliga: Tops und Flops der Saison 2014/15
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Tops und Flops der Saison

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Foto: dpa, rwe tmk

In Max Kruse und Christoph Kramer absolvierten zwei Schlüsselspieler am Samstag ihr letztes Spiel im Borussia-Trikot. Trotzdem überstrahlten zwei andere ihren Abschied, die gar nicht mehr auf dem Platz standen — obwohl nicht jeder sich gegen den FC Augsburg ans Drehbuch hielt.

1. Schluss nach dem 20.

Diese Randnotiz wandelt irgendwo zwischen Kuriosität und Tragik. Jahrelang hatte Filip Daems eine weiße Weste vom Elfmeterpunkt, verwandelte 18 Strafstöße in Folge. Dann kam das Heimspiel gegen den Hamburger SV im Frühjahr 2014. Daems scheiterte, war aber im Nachschuss erfolgreich, den 19. konnte man noch großzügig mitzählen. Doch drei Wochen später beim SC Freiburg verschoss Daems im 20. Anlauf ohne jeden Zweifel, das Spiel ging 2:4 verloren. Da wusste noch niemand, dass es das letzte Pflichtspiel des Belgiers für die Borussia gewesen sein würde. Nach 232 Einsätzen verlässt Daems den VfL auf Platz 23 der Rekordspielerliste, keiner trug in diesem Jahrtausend öfter das Gladbacher Trikot. Abstiegskampf, Abstieg, Aufstieg, Relegation, Platz vier, Europapokal — sein Werdegang am Niederrhein ist einzigartig. Viel Gutes lässt sich schreiben über den 36-Jährigen, aber — und das zeichnet den Musterprofi vor allem aus — rein gar nichts Schlechtes.

2. Der Anti-Strauchler

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Foto: Dirk Päffgen

Anders als Daems, der in seiner Heimat beim KVC Westerlo weitermacht, beendet Thorben Marx seine Karriere. Der 33-Jährige stammt aus derselben Generation wie BVB-Kapitän Sebastian Kehl, in die Anfang des Jahrtausends große Hoffnungen gesetzt wurden, die aber noch gar nicht das fußballerische Rüstzeug dafür hatte. Das spielte jedoch keine Rolle, als Marx seine wichtigsten Auftritte im Borussia-Trikot hatte. Im schwierigen Herbst 2012 stabilisierte er eine junge Mannschaft, die nach dem Verlust von Marco Reus, Roman Neustädter und Dante zu straucheln drohte. Dazu kam es auch deshalb nicht, weil Marx mit seiner besonnenen, aber entschlossenen Art zu dieser Zeit genau der Richtige war. Nach 99 Bundesligaspielen in sechs Jahren für den VfL ist jetzt Schluss. Seine drei Elfmeter waren übrigens alle drin.

3. Ohne jede Not

Nicht jeder hielt sich am Samstag ans Drehbuch. Dabei gehen die Meinungen auseinander, ob Lucien Favre der Spielverderber war oder Schiedsrichter Michael Weiner ihm diese Rolle aufzwang. Klar ist, dass eine einwandfreie Leistung des Referees genügt hätte, um Daems' und Marx' Chancen auf einen Abschiedseinsatz zu vergrößern. Doch Weiner gab dem Spiel eine andere Richtung, als er Havard Nordtveit nach einer Stunde vom Platz schmiss. 40 Meter vor dem Tor und mit Oscar Wendt in der Nähe war dessen Foul an Tim Matavz zwar eine Bremse, aber auf keinen Fall eine in der Not. Trotzdem hätte gerade diese Wendung zumindest für Daems eine günstige sein können. Stattdessen brachte Favre Fabian Johnson und zog Julian Korb von rechts nach innen. Fest steht nach diesem unvorhersehbaren Verlauf der Dinge: Der Abschiedstag des langjährigen Kapitäns verlief nicht optimal.

4. Mölders macht das Licht aus

Sportlich war das alles aus Sicht der Borussia völlig egal. Eher noch war es kurios, was in der letzten halben Stunde der Saison alles schiefging: Pech mit dem Schiedsrichter, der Ausgleich durch ein kaum zu verhinderndes "Tor des Monats", ein wiederbelebter Gegner und zu guter Letzt noch ein Patzer von Yann Sommer, der den Rekord von Marc-André ter Stegen da jedoch schon verpasst hatte. Sascha Mölders' Lupfer zum 1:3 war die letzte Aktion der Bundesligaspielzeit, überall war schon Schluss, danach pfiff auch Weiner ab. Immerhin hatte Gladbach ein Jahr lang so gutes Karma gehabt, dass die "Pleiten, Pech und Pannen"-Schlussphase nur den Auftakt der Party erschwerte, aber nicht die Party.

5. Rettet den "Kauz"

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Lucien Favre hat die öffentlichkeitswirksamen Auftritte vor der Nordkurve oder einem Gästeblock seiner Wahl in vier Jahren sorgfältig ausgewählt. Dieses Jahr schien das Bad vor der Menge ganz ausfallen zu sollen. Die Mannschaft zog sich langsam zurück wie eine umgekehrte Freistoßmauer, Favre zog mit. Bald hätten sie in einer Reihe vor der Südkurve gestanden, wenn nicht jemand den Trainer regelrecht nach vorne geschubst hätte, so dass der sich die Hände seiner Assistenten griff und die Welle machte. Ohne Favre wäre das Wort "Kauz" längst vom Aussterben bedroht, aber die Fanszene verzeiht Borussias vielleicht bestem Trainer seit Hennes Weisweiler fast alles. Und der liest an dieser Stelle hoffentlich nicht den Namen Weisweiler. Denn derartige Vergleiche mag Favre so gerne wie Scheinwerfer, die auf ihn gerichtet sind.

6. Kanone für Raffael

Raffael ist noch so einer, der ungern im Mittelpunkt steht. Allerdings legen neun Tore in der Rückrunde, darunter je zwei in Mainz, München und Bremen, eine andere Vermutung nahe. Die Steigerung nach einer blassen Hinrunde war bemerkenswert. Da Patrick Herrmann kräftig mitzog und Max Kruse in Abstrichen entstand ein enger Dreikampf um die vereinsinterne Torjägerkanone. Mit zwölf Treffern liegt Raffael am Saisonende knapp vorne.

7. Kurz beinahe Zweiter

Nach nur drei Minuten feierte ein Thema sein Comeback auf der Tagesordnung, das zuvor nur auf Abruf zur Verfügung gestanden hatte. "0:0, Osako" erschien auf der Anzeigetafel, dem 1. FC Köln war in dieser Saison zuzutrauen, torlos in Führung zu gehen. Bald darauf folgte die Korrektur, der FC führte tatsächlich gegen den VfL Wolfsburg, so dass der Borussia-Park erstmals während eines Spiels ernstzunehmende "Vizemeister"-Gesänge erleben durfte. Fünf Minuten hielt die Freude, dann glich Luiz Gustavo aus.

8. Kein Tor am Freitag

Nicht oft durfte die Borussia ihre Gegner am Samstag um 15.30 Uhr empfangen. Zur Kernzeit der Bundesliga gelangen ihr Siege gegen Köln, Dortmund und Leverkusen, sie kassierte aber auch die einzigen beiden Heimpleiten gegen Frankfurt und Augsburg. Ein gutes Omen ist die Tatsache, dass Gladbach dienstag- und mittwochabends alle drei Spiele gewann. So sieht die Bilanz nach Wochentag und Uhrzeit aus:

Di. 20 Uhr: 1-0-0, 1:0 Tore, 3 Punkte
Mi. 20 Uhr: 2-0-0, 5:1 Tore, 6 Punkte
Fr. 20.30 Uhr: 0-1-1, 0:1 Tore, 1 Punkte
Sa. 15.30 Uhr: 9-0-3, 25:13 Tore, 27 Punkte
Sa. 18.30 Uhr: 1-1-0, 6:3 Tore, 4 Punkte
So. 15.30 Uhr: 2-2-1, 7:4 Tore, 8 Punkte
So. 17.30 Uhr: 4-5-1, 9:4 Tore, 17 Punkte

9. In Europa kennt sie keine Sau

Vergangene Woche wurde an dieser Stelle leichtfertig der SC Freiburg als neuer Angstgegner-Kandidat ausgerufen. Jetzt fällt nach den Erfolgen zu Hause gegen Bayer Leverkusen und bei Werder Bremen auch noch das Gastspiel im Breisgau weg, das der VfL zuletzt 2002 für sich entschied. Wie gut, dass es den FC Augsburg gibt: Von den acht Duellen in der Bundesliga gewann Gladbach nur eins. Ihre erste Qualifikation fürs internationale Geschäft feierten die Augsburger mit grauen T-Shirts, die aus der Ferne äußerst trist anmuteten. Aber das hat System, der FCA bekannte selbst: "In Europa kennt uns keine Sau." Understatement ist am Niederrhein ja immer gerne gesehen.

10. Die nächste Respektlosigkeit

Die Borussen der Jetztzeit würdigten ihre Vorgänger, die Meister und Uefa-Cup-Sieger von 1975, keines Blickes. Fokussiert stapften sie nach dem Aufwärmen in die Kabine, Stadionsprecher Torsten Knippertz bat vergeblich um Shakehands. Für September planen Raffael, Herrmann und Co. die nächste Respektlosigkeit, wieder wird sie nicht böse gemeint sein: Ab dann läuft die Suche nach einem Nachfolger für Rainer Bonhof. Der erzielte am 29. März 1978 das bislang letzte Borussia-Tor in der Champions League, die damals noch gar nicht so hieß.

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