Chaos im Pott Schalke sucht neue Kumpel

Gelsenkirchen · Trotz der Qualifikation für die Europa League gehen die Fans in Gelsenkirchen auf die Barrikaden. Die Anhängerschaft beklagt mangelnde Identifikation der Mannschaft mit dem Klub und beschwört die guten alten Zeiten.

FC Schalke 04 - SC Paderborn 07: die Bilder des Spiels
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FC Schalke 04 - SC Paderborn 07

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Es ist die Zeit der Transparente. Die Ultras haben in den vergangenen Tagen fleißig Botschaften aufgemalt. "Der Fisch stinkt vom Kopf an", "Der Schnee ist geschmolzen - nun sehen wir die Kacke!", "Vermisstenanzeige - Kurve sucht Mannschaft! Finderlohn garantiert!". Nach und nach präsentieren die Fans ihre Werke in der Nordkurve. Sie sind sich ihrer Sache wohl ziemlich sicher, die ganze Arbeit nicht umsonst gemacht zu haben. Die Spieler des FC Schalke 04 bestätigen alle Vorurteile. Eine seelenlose Truppe duselt sich zum unverdientesten 1:0 der Saison in der Arena gegen den SC Paderborn. Die Königsblauen schaffen damit die Qualifikation zur Europa League. Doch das Publikum hat sich längst von ihnen abgewendet. Pfiffe, Pöbeleien - es kocht im Pott. Eine halbe Stunde nach dem Spiel blockieren ein paar Hundert besonders erregte Anhänger den VIP- und Spieler-Eingang des Stadions.

Es ist ein Nachmittag mit vielen Verlierern. Es kommt zum Vorschein, wie viel eigentlich auf Schalke im Argen liegt. Eine zerstrittene Mannschaft, ein Trainer ohne Konzept, Fans, die aufgrund fehlender Identifikationsfiguren die guten, alten Zeiten beschwören. Immer wieder sind im Stadion Gesänge zu hören, in denen Huub Stevens oder Ebbe Sand gefeiert werden. Malocher. Kumpel-Typen. Schalke eben. Davon ist in der aktuellen Saison nicht mehr viel zu sehen gewesen. Zum endgültigen Bruch zwischen Team und Fans ist es im Februar nach dem desaströsen Abschneiden in Dortmund gekommen. Eine blutleere Truppe ergab sich beim 0:3 gegen den BVB allzu bereitwillig in ihr Schicksal. Es war niemand da, der sich aufbäumen wollte und konnte.

Roberto Di Matteo – Champions-League-Sieger & Ex-FC Schalke 04-Trainer
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Das ist Roberto Di Matteo

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Spätestens nach der Niederlage in der Vorwoche gegen den 1. FC Köln (0:2) ist das Fass übergelaufen. Alles, aber auch alles steht derzeit in Gelsenkirchen auf dem Prüfstand. Sportvorstand Horst Heldt ist für viele einer der Schuldigen an der Entwicklung. "Es ist einzig und alleine meine Verantwortung, ich kann mich nur aufrichtig Entschuldigen bei euch für das, was wir abgeliefert haben", mit diesen Worten hat Heldt versucht die aufgebrachten Fans zu beruhigen. Ob ihm dieses Eingeständnis etwas nützt, ist derzeit noch offen. Viele kreiden ihm an, mit populistischen Aktionen (Suspendierung Sidney Sam und Kevin-Prince Boanteng) vor allem von eigenen Fehlern ablenken zu wollen. Heldt kann durchaus auf Erfolge verweisen - möglicherweise war nur der Preis dafür zu hoch. Denn statt sich auch mit den charakterlichen Eigenschaften des Personals zu beschäftigen, stand im Vordergrund vor allem ein gutes Geschäft.

Heldt hält auch jetzt noch tapfer an Roberto Di Matteo fest. "Er ist der richtige Trainer", befindet Heldt. Ähnlich standhaft hat er sich allerdings auch vor Jens Keller gestellt, der nach der besten Rückrunde in der Vereinsgeschichte zu Beginn der Saison entlassen worden ist. "Wir haben die Herzen verloren", sagt Heldt. "Es liegt an uns, sie wiederzugewinnen." Nur wie?

"Es waren schwierige Umstände, der Druck war groß. Wir waren heute sehr verkrampft", sagt Di Matteo. "Das Wichtigste sind die drei Punkte, mit denen wir unser Mindestziel erreicht haben. Aber das war nicht der Abschluss, den wir erhofft hatten. Nächste Saison müssen wir es viel besser machen." Mit welcher Mannschaft? Di Matteo glaubt, mit wenigen Veränderungen im Kader auszukommen. Der mächtige Aufsichtsratsvorsitzende Clemens Tönnies, selbst bei den Fans in Ungnade gefallen, fordert dagegen einen radikalen Umbruch. Chinedu Obasi, Christian Wetklo, Christian Fuchs, Jan Kirchhoff und Tranquillo Barnetta bekommen wohl keinen neuen Vertrag, die Abgänge von Boateng und Sam stehen fest. Schalke wird also zwangsläufig ein neues Gesicht bekommen.

FC Schalke 04: Benedikt Höwedes verletzt sich am Sprunggelenk
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Höwedes verletzt sich am Sprunggelenk

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Foto: dpa

Was aus Kapitän Benedikt Höwedes wird, ist immer noch nicht klar. Der Verteidiger liebäugelt nach wie vor mit einem Wechsel nach England. Zunächst muss er sich aber um eine schnelle Genesung bemühen. Er erlitt eine Kapsel- und Bänderverletzung im linken Sprunggelenk. Für ihn ist die Saison beendet. Für viele Fans auch.

(RP)
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