Analyse zur Winter-WM 2022 in Katar WM-Finale ein Tag vor Weihnachten

Düsseldorf · Die Verlegung der Endrunde 2022 wird die Fifa viel Geld kosten. Denn die Klubs wollen Entschädigung.

Gewinner und Verlierer der Winter-WM 2022 in Katar
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Foto: ap

Vor sieben Monaten durften die Fans am Deutschen Eck in Koblenz schon mal für die Weltmeisterschaft 2022 üben. Sie wussten das nur noch nicht. Bei der Übertragung des WM-Halbfinals zwischen Brasilien und Deutschland suchten sie beim Public Viewing unter Zeltplanen Schutz vor einem sehr dauerhaften kühlen Regen. Sie hatten Glück, dass sie sich am 7:1-Erfolg der deutschen Mannschaft erwärmen konnten.

In sieben Jahren müssen sie sehr viel Glück haben oder ein paar Heizstrahler. Denn eine "Task Force" des Weltverbands Fifa hat in Doha entschieden, das Turnier 2022 vom 26. November bis 23. Dezember zu spielen. Auch zu den Fifa-Funktionären hat sich herumgesprochen, dass der katarische Sommer mit Temperaturen jenseits der 50 Grad Celsius weder Spielern noch Zuschauern zuzumuten ist. Was bedeutet diese Entscheidung?

Die europäischen Ligen müssen ihren Spielplan anpassen. In Deutschland wird die Bundesliga ihre Saison wegen der notwendigen Vorbereitungszeit für die Nationalmannschaft wahrscheinlich von Mitte Oktober bis Ende des Jahres unterbrechen. Möglicherweise wird die Liga die Winterpause dann wegfallen lassen und reichlich Wochenspieltage einschieben müssen.

Die europäischen Wettbewerbe verschärfen das Terminproblem. Bislang fiel in den beiden letzten Monaten des Jahres die Entscheidung über die Teilnehmer an den K.o.-Runden im Frühjahr. Auch hier wird der Wettbewerb unterbrochen oder vielleicht mit einer kleineren Anzahl an Mannschaften gespielt.

Die Vereine nehmen das natürlich nicht ohne Murren hin. Das hat Bayern Münchens Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge als Chef der Vereinigung europäischer Topklubs schon vor der Entscheidung von Doha deutlich gemacht. Der Termin kurz vor dem Weihnachtsfest werde "unser Geschäft beeinflussen", sagte Rummenigge, "die Kosten können nicht von den Vereinen übernommen werden". Die Topklubs halten bei der Fifa die Hand auf - nicht nur wegen der Abstellung ihrer Spieler für die Landesauswahl-Teams. Aber auch die kleineren Klubs wollen für die Einnahmeverluste in der spielfreien Zeit entschädigt werden.

Die Fifa hat damit kein großes Problem. Ihre Kassen sind nämlich gut gefüllt. Präsident Sepp Blatter und seinen Geschäftsfreunden in Katar gefällt bestimmt die Aussicht, mit großzügigen Überweisungen das wesentliche Problem dieser WM vom Tisch zu bekommen. Es besteht in der Vergabe nach Katar an sich. Die Fifa hat weder Menschenrechtsverletzungen auf den WM-Baustellen noch die Korruptionsvorwürfe rund um das Vergabeverfahren als Diskussionsthemen zugelassen und das Problem auf die hohen Temperaturen in Katars Sommer verkürzt. Geschickt.

Ethische Bedenken bleiben sehr zur Freude der Fifa und ihrer katarischen Freunde auf der Strecke. Sepp Blatter wird dennoch ein paar rührselige Sonntagsansprachen halten, in denen von der großen moralischen Verantwortung des Verbandes die Rede ist. Und er wird die kleinen Verbände weiter mit jährlichen Zuwendungen bei Laune halten. Sie werden die Menschenrechtsverletzungen ganz sicher nicht auf die Tagesordnung setzen.

Die Wintersportverbände haben mit ihrer Minimalforderung Erfolg gehabt, denn die WM kollidiert nicht mit den Olympischen Winterspielen. Die Ereignisse vor dem Jahreswechsel aber werden vom Fußball in den Schatten gestellt. Vielleicht muss die Fifa auch da in die Entschädigungskasse greifen.

Die USA gehörten zu den großen Anhängern der Fußball-WM im Sommer. Und das liegt nicht in erster Linie an der Sportart, die in den Vereinigten Staaten immer noch eher als skurrile Beschäftigung für Studenten und (vor allem) Studentinnen gilt. Die sportbegeisterten US-Amerikaner wechseln deshalb bereitwillig ins Fußball-Fach, weil die bevorzugten Sportarten im Sommer Pause machen. Die letzten Monate des Jahres sind im TV-Markt für American Football reserviert. "Soccer" wird es gegen diese Konkurrenz schwer haben. Folglich ist auch die Vermarktung in den USA nicht so ganz einfach. Das finden die Fifa-Geschäftsleute natürlich nicht so schön. Umso größer werden ihre Anstrengungen auf dem asiatischen Markt sein. Die Scheichs sind ihnen dabei gewiss gern behilflich.

Die Engländer fühlten sich im Verfahren ausgebootet und gehören deshalb ohnehin nicht zu den Fans der Katar-WM. Ihre TV-Sender haben im Winter immer gute Quoten bei den Premier-League-Spielen erzielt - unter anderem am Boxing-Day (2. Weihnachtstag), der 2022 wegen der unzumutbaren Belastungen für die Topspieler sicher ausfallen wird. Auch die Briten werden von der Fifa Entschädigung verlangen.

Das Publikum wird in Katar Fußball bei frühsommerlichen Temperaturen erleben. Daheim wird das Public Viewing entweder in den Saal verlegt oder zum überschaubar besuchten Public Freezing am Glühweinstand der Weihnachtsmärkte. Hier sind keine Fifa-Zuschüsse zu erwarten.

(RP)
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