Positive A-Probe bei Sachenbacher-Stehle Deutsches Olympia-Team nach Dopingfall geschockt

Sotschi · Gerüchte über eine positive Dopingprobe bei Biathletin Evi Sachenbacher-Stehle haben am Freitag nicht nur in Sotschi für heftige Reaktionen gesorgt. Zahlreiche Mitglieder des deutschen Teams zeigten sich "schockiert", Justizminister Heiko Maas kündigte umgehend eine verschärfte Dopinggesetzgebung an. In den sozialen Netzwerken wurde die Athletin bereits vor einer offiziellen Reaktion durch den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) oder das Internationale Olympische Komitee (IOC) heftig attackiert.

 Evi Sachenbacher-Stehle hat sich bislang nicht zu der positiven A-Probe geäußert.

Evi Sachenbacher-Stehle hat sich bislang nicht zu der positiven A-Probe geäußert.

Foto: dpa, hak nic

"Das ist traurig für uns alle und ein Schock", sagte der aktuelle Langlauf- und ehemalige Biathlon-Männer-Bundestrainer Frank Ullrich: "Ich kann nur hoffen, dass das noch eine Wende zum Guten nimmt." Auch Kombinations-Olympiasieger Eric Frenzel zeigte sich "geschockt und sehr überrascht über diese Information".

Justizminister Maas reagierte mit einer Ankündigung einer deutlichen Strafverschärfung für Dopingsünder. "Sowohl der Besitz als auch die Anwendung von Doping-Mitteln sollen unter Strafe gestellt werden. Doping-Sündern und Doping-Ärzten drohen dann Haftstrafen von bis zu fünf Jahren", sagte Maas der "Bild".

In Zusammenarbeit mit dem Innenministerium werde er noch in diesem Jahr einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen, sagte der Minister weiter. "Wir sind es der Mehrheit der ehrlichen Sportler schuldig, endlich zu handeln", sagte Maas. Mit dem Gesetz werde "schon der Besitz geringer Mengen von Doping-Mitteln unter Strafe gestellt". Dies gelte sowohl für die Zeit der Sportwettkämpfe selbst, als auch für die Vorbereitungs- und Trainingszeit: "Es droht gedopten Sportlern also künftig nicht mehr nur die Wettkampfsperre, sondern das Gefängnis."

Chinesischer Energieriegel der Auslöser?

"Wenn es so ist, ist es eine Riesendummheit von ihr", sagte ihr Ex-Trainer Wolfgang Pichler, der mittlerweile Frauentrainer in Russland ist. Er berichtete, dass der Ursprung einer möglichen positiven Dopingprobe bei Sachenbacher-Stehle im Konsum von verunreinigten chinesischen Energieriegeln liegen könnte. "Da muss sich die Spitze des deutschen Sports auch mal hinterfragen, ob sie die Athleten richtig aufgeklärt hat", sagte Pichler.

Sachenbacher-Stehles Bruder Josef glaubt dagegen nicht an ein bewusstes Doping-Vergehen seiner Schwester. "Sie hat sich nichts vorzuwerfen. Sie verachtet sowas und würde niemals dopen", sagte Josef Sachenbacher am Freitag der "Bild".

Derweil wurde Sachenbacher-Stehle auf ihrer Facebook-Seite heftig angegangen. "Du bist eine Schande für alle deutschen Sportler", hieß es da unter anderem. Die letzte Mitteilung von Sachenbacher-Stehle stammte von Donnerstagabend: "Die Staffelaufstellung von morgen ist raus, und ich bin leider nicht dabei. Hoffentlich ist das Glück auch mal auf unserer Seite, und die Mädels können die ersehnte Medaille holen. Ich werde am Streckenrand beim Anfeuern alles geben."

Die zweimalige Langlauf-Olympiasiegerin hatte mit Platz vier im Massenstart für das beste Ergebnis der enttäuschenden deutschen Biathletinnen in den Einzelrennen in Sotschi gesorgt. Für die Staffel am Freitag war sie schon nicht mehr nominiert worden.

Schutzsperre schon 2006 in Turin

Sachenbacher-Stehle war bereits während der Winterspiele 2006 in Turin von einer fünftägigen Schutzsperre betroffen gewesen. Damals waren die Hämoglobinwerte der 33-Jährigen zu hoch. Zu einer weiteren Sperre kam es nicht. Sie hatte als Langläuferin 2002 in Salt Lake City Gold mit der Staffel gewonnen, vor vier Jahren in Vancouver wurde sie an der Seite von Claudia Nystad Olympiasiegerin im Teamsprint. Vor zwei Jahren wechselte sie ins Biathlon-Lager, an ihre früheren Erfolge knüpfte sie nicht an. In Sotschi verfehlte sie Bronze im Massenstart nach einer fehlerfreien Schießleistung nur um eine Sekunde.

Der DOSB war zunächst am Donnerstagabend um 21.30 Uhr (Ortszeit) vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) über eine positive A-Probe informiert worden, am Freitag wurde in einem Labor im Olympia-Park die B-Probe geöffnet. Auch eine Anhörung vor der IOC-Disziplinarkommission war für Freitag geplant gewesen. Von keiner der Organisationen gab bis zum Nachmittag Ortszeit eine offizielle Bestätigung.

Bislang war die Ausbeute der Dopingjäger bei Olympischen Spielen traditionell eher gering. In Vancouver 2010 hatte es einen positiven Fall gegeben. Der slowakische Eishockey-Spieler Lubomir Visnovsky war mit dem Stimulanzmittel Pseudo-Ephedrin erwischt worden. Zuvor in Turin (2006) und Salt Lake City (2002) waren es je sieben Fälle gewesen. In Nagano (1998), Lillehammer (1994) und Albertville (1992) ging ebenfalls kein Sportler ins Netz der Dopingjäger.

Bislang gab es erst einen einzigen deutschen Athleten, den Eishockey-Spieler Alois Schloder, der in der Geschichte der Winterspiele für einen Dopingfall gesorgt hatte. Im Nachhinein wurde er durch eine Aussage seines Arztes aber rehabilitiert. Schloder war in Sapporo 1972 positiv auf Ephedrin getestet worden.

Als erster Goldmedaillengewinner bei Winterspielen erwischt wurde der deutsche Langläufer Johan Mühlegg 2002 in Salt Lake City, wo er allerdings für Spanien gestartet war. Damals wurden ihm seine drei Goldmedaillen über 10, 30 und 50 km aberkannt. Er hatte mit EPO gedopt und in Salt Lake City für den wohl spektakulärsten Fall in der Geschichte der Winterspiele gesorgt.

In Sotschi testet das IOC angeblich so intensiv wie nie zuvor bei Winterspielen. Insgesamt soll es bei den Spielen 2453 Kontrollen geben, davon 1944 Urin- und 509 Bluttests. Auf eine Initiative des neuen IOC-Präsidenten Thomas Bach war auch die Anzahl der Trainingskontrollen vor den Spielen massiv erhöht worden. Unter anderem war dabei die russische Biathletin Irina Starych ins Netz gegangen.

(sid)
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