Deutsche Tournee-Tristesse DSV-Adler mit Bruchlandung kurz vor Olympia

Bischofshofen · Für die deutschen Skispringer war die Vierschanzentournee eine harte Landung auf dem Boden der Realität. Kurz vor Olympia ist der Aufschwung ins Stocken geraten.

 Werner Schuster: "Wir haben wieder verloren. Das ist äußerst unbefriedigend"

Werner Schuster: "Wir haben wieder verloren. Das ist äußerst unbefriedigend"

Foto: dpa, Arne Dedert

Sie kamen als stolze Adler, doch sie gingen als "gerupfte Hühner": Nach dem Höhenflug zu Saisonbeginn erlebten die deutschen Skispringer bei der 62. Vierschanzentournee eine unerwartet harte Landung auf dem Boden der Realität. Während Severin Freund, Andreas Wellinger und Richard Freitag kurz vor Olympia den erhofften Paukenschlag klar verpassten, bleibt wohl nur der emotionale Abschied von Altmeister Martin Schmitt länger in Erinnerung.

"Wir haben wieder verloren. Das ist äußerst unbefriedigend", sagte Bundestrainer Werner Schuster und zog einen Vergleich zum Fußball: "Wenn zehn Mannschaften Meister werden wollen, gibt es am Ende eben neun Verlierer." Auch Polen, Norwegen und Japan seien abgeschmiert, so Schuster, Österreich dank Senkrechtstarter Thomas Diethart und Thomas Morgenstern dagegen der große Gewinner.

Das Problem ist: Die deutschen Adler spielten bei der Tournee erst gar nicht um den Titel mit, sondern kämpften von Beginn an eher gegen den Abstieg. "Die Gesamtwertung sieht wirklich fürchterlich aus", sagte Schuster. Andreas Wellinger (Ruhpolding), Neunter beim Abschluss-Springen in Bischofshofen, schaffte es in der Gesamtwertung als Zehnter gerade noch so in die Top 10. Was der Österreicher jedoch fast schmerzlich vermisste, war ein Springer mit Konstanz. Doch den gab es nicht, auch der Anfang Dezember in Lillehammer noch siegreiche Freund patzte mehrfach.

Vier Wochen vor Beginn der Olympischen Spiele gibt es somit unerwartet viele Fragezeichen. "Ich hoffe nicht, dass wir uns für Sotschi Sorgen machen müssen", sagte der viermalige Tournee-Gewinner Jens Weißflog dem SID. Die Qualität sei da, so Weißflog, im Team gehe es jedoch zu ruhig zu. "Das ist keine Urlaubsfahrt, bei der immer super Stimmung herrschen muss. Es muss auch mal krachen", sagte der 49-Jährige.

Die vor der Tournee geschürten Erwartungen dürften jedenfalls keine Entschuldigung sein. "Zu meiner Zeit war es auch egal, ob ich in Form war oder nicht. Wenn es darauf ankam, wurde erwartet, dass ich gut springe", sagte Weißflog. Den zuletzt frustriert wirkenden Bundestrainer nahm er ausdrücklich aus der Kritik, Schuster habe in den vergangenen Jahre viel bewegt.

Doch die beste Arbeit nützt nichts, wenn im entscheidenden Moment das Potenzial nicht abgerufen wird. "Den letzten Schritt müssen die Athleten selber machen. Man braucht die Leute, die das hinkriegen", sagte Schuster. Angesprochen fühlen durfte sich vor allem Freund, der in Garmisch-Partenkirchen sogar den zweiten Durchgang verpasst hatte. Teamkollege Freitag war nach zwei Verletzungspausen geschwächt in die Tournee gegangen, Wellinger erwies sich mit seinen 18 Jahren als noch zu unerfahren.

Schusters Aufgabe ist es nun, dieses Top-Trio bis Olympia wieder in Form zu bringen. "Wir haben noch ein bisschen Zeit, diese Zeit müssen wir nutzen", sagte er. Zumindest das Ticket nach Sotschi haben Freund, Freitag und Wellinger seit Montag sicher, zudem nominierte Schuster am Abend Marinus Kraus. Den fünften Platz werden Michael Neumayer und Andreas Wank bei den Weltcups in Wisla (16.1.) und Zakopane (18./19.1.) ausspringen. Ziel in Russland bleibe eine Medaille im Einzel und eine mit der Mannschaft.

Der Aufwärtstrend der vergangenen Jahre jedenfalls sei nicht gestoppt, sagte Schuster, der seit März 2008 im Amt ist: "Es ging immer aufwärts, und es geht auch weiter aufwärts. Nur dieser Aufwärtstrend konnte bei der Tournee nicht nachgewiesen werden. Und das ist bitter."

(sid)
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