Einstige Landungsküste ist heute ein UrlaubsidyllKrieg und Frieden
Omaha Beach (RP). Die normannische Côte de Nacre war Schauplatz einer der blutigsten Schlachten des Zweiten Weltkriegs: der Landung der Alliierten. Heute präsentiert sich die Küste als Urlaubsidyll.Omaha Beach, 6. Juni 1944. Eine der grauenvollsten Schlachten des Zweiten Weltkriegs tobt. Amerikanische Soldaten, die von Landungsbooten aus den Strand zu erreichen suchen, werden von einem deutschen Maschinengewehr-Schützen unter Dauerfeuer genommen. Das Meer und der Sand färben sich blutrot. Dieselbe Stelle, gut 59 Jahre später. Rot steht die Sonne im Westen über dem Horizont und taucht die Calvados-Küste in warmes Licht. Sanft rauschen die Wellen. Das Meer hat sich mit der Ebbe einen halben Kilometer weit zurückgezogen. Krebse huschen über den feinen Sandstrand, die Pfützen sind voller Fische, Kinder versuchen lachend, einige zu fangen. Zwei Pferde mit Reitern traben durch die Brandung. Der Omaha Beach, einst von Stacheldraht und Panzersperren gesäumt, ist heute ein Idyll, einer der bezaubernsten Strände in Europa. Wie überhaupt dieser Teil der Normandie zu den Reisezielen gehört, die sich für den Familienurlaub besonders eignen. Trotz seiner Vergangenheit.Liebliche Landschaft Der ursprüngliche Name dieses Abschnitts - Côte de Nacre, Perlmuttküste - gibt einen durchaus treffenden Eindruck von der Lieblichkeit der Landschaft, ist aber weitgehend in Vergessenheit geraten. Seit dem D-Day, dem Beginn der alliierten Invasion, wird der 80 Kilometer lange Streifen zwischen den Mündungen der Flüsse Orne und Vire militärisch trocken Plages du Dabarquement genannt, Landungsstrände, und jeder einzelne davon trägt noch heute seine damalige Codebezeichnung: Sword, Juno, Gold und eben Omaha. Utah liegt abseits im Westen. Steilküsten wechseln sich ab mit verträumten Buchten und, zumindest bei Ebbe, schier endlosen Sandflächen. Eng wird es hier nie, selbst zur Hochsaison im Juli und August verlieren sich die überwiegend französischen Sommerfrischler in der Weite. Omaha Beach, der schönste dieser Strände, erstreckt sich über mehr als zehn Kilometer, eine Strecke, die sich zu einem Gutteil auch über die dahinter liegenden sanften Hügel erwandern lässt. Pfade winden sich durch das Naturschutzgebiet, über blühende Wildwiesen, an uralten Gehöften vorbei und durch romantisch verwachsene Wäldchen. Immer wieder öffnet sich der Raum und erlaubt Blicke übers Meer. Plötzlich, inmitten des Dickichts, sticht kalter Beton ins Auge, ein Loch klafft im Boden, eine Treppe führt in den Untergrund - hinunter in eine der zahlreichen verrottenden deutschen Bunkeranlagen an dieser Küste. Hier ist sie wieder, die Erinnerung an den Krieg. Ihr entkommt kein Normandie-Reisender. Gleichwohl sind unbeschwerte Aufenthalte möglich. Sonntagmorgens im Fischerdorf Port-en-Bessin: Hunderte von Menschen tummeln sich auf dem Wochenmarkt direkt am Hafenbecken. Eine Bäuerin bietet Cidre an, vier Euro die Flasche, Pommeau für acht. Sie lädt ein zum Probieren. Herb, leicht bitter sogar schmeckt ihr Apfelwein, ein bisschen wie Weizenbier. Der Likör-ähnliche Pommeau, ebenfalls aus Äpfeln gewonnen, wirkt danach noch süßer, als er ohnehin ist. Daneben ein Fischstand, der bestückt ist wie ein Meereskundemuseum. Kinder beäugen einen stattlichen Seebarsch, der von seinem Eisbett leblos zurückstarrt. Hummer und Krebse staksen, die Scheren zusammengebunden, auf der meerestierhoch umzäunten Theke herum. Der Fisch, vor allem Steinbutt und Seezunge, ist frisch und günstig - Selbstversorger essen in der Normandie preiswert. Das gilt auch für Käse. Gleich mehrere überbordende Stände bieten eine paradiesische Auswahl an (billiger als in Deutschland) und bestätigen den Ruf der Normandie als einer der großen Käseregionen Frankreichs. Das im Landesinneren liegende Dorf Camembert ist nur 50 Kilometer vom Markt in Port-en-Bassin entfernt. Und das schmeckt man.Geruchsintensiver Käse Der Camembert, der hier in Schachteln aus Spanholz von sahnig mild bis deftig und auch mit dem Apfelschnaps Calvados verfeinert angeboten wird, ist mit der gleichnamigen Industrieware aus deutschen Supermärkten nicht zu vergleichen. Zu empfehlen sind auch der fettreiche Pont l'Aque, der strenge Livarot und der sanft-würzige Neufchâtel-en-Bray - allesamt geruchsintensive Sorten aus normannischer Produktion, mit denen sich Käsehasser leicht in die Flucht schlagen lassen. Apropos Flucht. Das Bild von angelsächsischen Rittern, die vor Normannen fliehen, gehört zu den bedeutendsten Kulturstücken der Region und auch Frankreichs: dem einzigartigen Wandteppich von Bayeux - einer Art mittelalterlichem Comic, der eindrucksvoll zeigt, dass Krieg und Invasion schon lange vor 1944 zur Geschichte der Normandie gehörten. Dargestellt wird auf einem 70 Meter langen Leinenstreifen nämlich die Geschichte der Eroberung Englands durch den Normannenherzog Wilhelm der Bastard, der anschließend den naheliegenden Beinamen "der Eroberer" bekam. Im Jahre 1066 war das, und der imposante Bildteppich wurde kurz darauf gefertigt. Die äußerst lebhafte Darstellung, die damals offenbar der Rechtfertigung des Waffengangs diente, macht Historie auch gerade für Kinder anschaulich und eignet sich deshalb bestens als Ziel für einen Familienausflug. Das Museum Centre Guillaume le Conqurant, in dem das berühmte Stück präsentiert wird, liegt im Zentrum von Bayeux - ein Bummel durch den mittelalterlichen Kern der Stadt (samt verlockender Einkaufsmeile) sollte sich anschließen. Nicht jedem zu empfehlen ist dagegen das Memorial de la Bataille de Normandie beim britischen Soldatenfriedhof am Stadtrand - das größte der zahllosen Museen in der Region, die dem Geschehen von '44 gewidmet sind. Die Sammlungen gleichen sich: Allenfalls Militaria-Liebhaber werden den Waffenarsenalen und den mit Schaufensterpuppen nachgestellten Schlachtgetümmeln viel abgewinnen können. Wer sich mit der jüngeren Geschichte beschäftigen will, ist an den Schauplätzen besser aufgehoben. Am Pointe du Hoc etwa, einer Felsspitze an der Steilküste bei St.-Pierre-du-Mont, die ein Stück ins Meer ragt und eine gute Aussicht erlaubt. Weshalb die Wehrmacht den Punkt zum Beobachtungsposten ausbaute. Die gewaltigen Bunker sind zu besichtigen. Überwiegend in Stücken. Alliierte Kriegsschiffe und Bomber machten in der Nacht vor der Landung aus dem Plateau eine Kraterlandschaft. Auch wenn mittlerweile Gras über die vernarbte Erde gewachsen ist: Die Hölle, die hier damals tobte, lässt sich erahnen. Von dem Punkt, den eine US-Eliteeinheit schließlich eroberte, nachdem sie sich unter schwersten Verlusten die Klippen hinauf gekämpft hatte, kann man nahezu die gesamte Côte de Nacre überblicken. Zig Kilometer weit schweift der Blick über das im Abendrot schillernde Meer und die in leichtem Dunst liegende Küstenlinie. Ein friedliches Bild.