Düsseldorf Jacques Tilly, 53

Düsseldorf · Der Wagenbaumeister schaute den Zug auf der Tribüne am Rathaus.

 Ein Düsseldorfer Motiv bei den Mottowagen musste sein: OB Geisel strampelt sich für die Tour de France ab, im Nacken neue Schulden.

Ein Düsseldorfer Motiv bei den Mottowagen musste sein: OB Geisel strampelt sich für die Tour de France ab, im Nacken neue Schulden.

Foto: Andreas Endermann

Am Abend hat Jacques Tilly gestern mit Freunden noch ganz privat daheim Rosenmontag gefeiert. "Darauf freue ich mich sehr", sagte er, als der letzte Wagen am Reiterstandbild des Jan Wellem vorbeigerollt war. Zuvor hatte Düsseldorfs Wagenbaumeister auf der Tribüne des Rathauses den Umzug verfolgt. "Ich habe mir einen schönen Tag gemacht und viel Zuspruch bekommen", freute sich der 53-Jährige. Das Lob bezog sich vor allem auf die beiden Trump-Wagen. Der neue US-Präsident versucht darauf zunächst, Miss Liberty zu vergewaltigen, wird aber auf dem zweiten Wagen dafür von der Dame enthauptet.

 Nur guter Journalismus hilft gegen die "Fake-News". Das Motiv des Wagens der Rheinischen Post war eine von Tillys Mottowagen-Ideen.

Nur guter Journalismus hilft gegen die "Fake-News". Das Motiv des Wagens der Rheinischen Post war eine von Tillys Mottowagen-Ideen.

Foto: Andreas Bretz

"Manche meinten sogar, da hätte noch eine Schüppe drauf gekonnt", sagte Tilly. Die Freiheitsstatue trägt bei ihm auf der Brust den Schriftzug "America, resist" (Amerika, widerstehe!), im Arm hält sie die Verfassung. "Anders als in der Türkei funktionieren in den USA die Institutionen ja, die Gerichte urteilen unabhängig", sagte Tilly und hofft, dass die Vereinigten Staaten sich als Hort der Freiheit behaupten.

 Jacques Tilly (r.) feierte auf der Rathaus-Tribüne mit dem Kölner Kabarettisten Jürgen Becker, der den Zug in Düsseldorf viel besser findet.

Jacques Tilly (r.) feierte auf der Rathaus-Tribüne mit dem Kölner Kabarettisten Jürgen Becker, der den Zug in Düsseldorf viel besser findet.

Foto: Andreas Bretz

Die Verteidigung von Demokratie und Freiheit in Zeiten des Rechtspopulismus ist aktuell Tillys Großthema. Gleich neun der zwölf Mottowagen befassten sich in mehr oder weniger engem Sinne mit dem Thema. Da ging es unter anderem um "Erdowahn", der einen Clown einen Terroristen schimpft, die Polen unter Jaroslaw Kaczynski oder die AfD.

Nach dem Rosenmontagszug ist in Tillys Augen deswegen vor der Demonstration für Europa. Diese findet am 25. März um 12 Uhr auf dem Burgplatz statt, und deswegen zertrümmert heute Jacques Tilly nicht - wie sonst üblich - vor der Bilker Wagenbauhalle alle seine Mottowagen. Die Trump-Wagen bleiben zunächst erhalten, ebenso jener mit den Raupen, die ein Blatt mit der Aufschrift "Demokratie" fressen (die Raupen tragen die Namen Putin, Erdogan, Orban, Kaczynski, Trump). Ebenso verschont wird das Motiv "Blond ist das neue Braun", das den neuen US-Präsidenten in einer Reihe mit Marine LePen, Geert Wilders und Adolf Hitler, ebenfalls blond und ein bisschen deppert dreinschauend, zeigt.

Der Marsch für Europa findet am 25. März in Düsseldorf, Berlin, Rom, London und anderen Städten statt. Hintergrund: Am 25. März 1957 wurden die Gründungsverträge der EU (bzw. ihrer Vorläuferorganisationen) unterschrieben. Jetzt soll gezeigt werden, "dass die Idee vom gemeinsamen Europa springlebendig ist und seine Werte - Menschenrechte, Meinungs- und Pressefreiheit, Demokratie, Solidarität, Rechtsstaat - für uns oberste Priorität haben." In Düsseldorf rufen der Düsseldorfer Appell, der Verein "We are Europe" und der DGB zu der Demonstration auf.

Die internationale Politik hat also Düsseldorfs Mottowagen bestimmt. Das anstehende Duell von Angela Merkel und Martin Schulz fand sich zwei Mal im Zug wieder: Einmal ist Merkel ein gejagtes Mammut, dann Schulz der durch Umfragewerte aufgepumpte Luftikus. Nur zum Gähnen und deswegen für verzichtbar hielt Tilly das Duell Nummer zwei dieses Jahres, nämlich Kraft gegen Laschet. Dafür schaffte es zumindest ein Düsseldorf-Wagen ins jecke Rennen, und natürlich musste es um den Oberbürgermeister und die Tour de France gehen. Thomas Geisel strampelt sich auf einem Fahrrad ab, auf einem zweiten sitzt ihm ein dicker roter Teufel im Nacken, der die drohende Neuverschuldung symbolisiert.

In den nächsten Tagen wird Tilly das Echo der internationalen Presse dokumentieren. Im vorigen Jahr, als viele Wagen zum Thema Terror fuhren, wurden Wagen aus Düsseldorf in 410 Medien weltweit gezeigt. "Das war ein absoluter Rekord, der nicht zu toppen ist", sagt Tilly. Parallel laufen seit gestern bei dem Düsseldorfer die Hass-Mails ein, sie gehören für ihn dazu "wie der Donner zum Blitz". Wegen der Trump-Wagen wird Tilly von selbst ernannten Reichsbürgern und anderen Rechtsauslegern als "linksversifft, niveaulos, geschmacksverirrt und zutiefst unlustig" bezeichnet. Er verbreite "linke Hass-Propaganda". Ein anderer, nach eigener Aussage blondgeschopfter Mensch will Tilly wegen Rassismus anzeigen. Auch dazu: Helau!

(ujr)
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