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Gut Gemacht Zugewanderte erleben prägende Freizeitwoche in Kassel

Radevormwald · RADEVORMWALD Die Erinnerungen sind frisch und die Eindrücke prägend. Birgit Kuna von der Rader Flüchtlingshilfe berichtet von einer beeindruckenden Freizeitwoche mit Zugewanderten aus Radevormwald, Wermelskirchen und Lennep. 55 Teilnehmer zwischen drei und 72 Jahren verbrachten acht Tage in einem Selbstversorger-Gruppenhaus in der Nähe von Kassel.

 Auch die mehr als 400 Stufen zum Kasseler Unesco-Weltkulturerbe Bergpark meisterten die Gäste. Faszinierend: Bei der Freizeit saßen Menschen zusammen, die in ihrem eigenen Land Gegner im Krieg waren.

Auch die mehr als 400 Stufen zum Kasseler Unesco-Weltkulturerbe Bergpark meisterten die Gäste. Faszinierend: Bei der Freizeit saßen Menschen zusammen, die in ihrem eigenen Land Gegner im Krieg waren.

Foto: birgit kuna

RADEVORMWALD Die Erinnerungen sind frisch und die Eindrücke prägend. Birgit Kuna von der Rader Flüchtlingshilfe berichtet von einer beeindruckenden Freizeitwoche mit Zugewanderten aus Radevormwald, Wermelskirchen und Lennep. 55 Teilnehmer zwischen drei und 72 Jahren verbrachten acht Tage in einem Selbstversorger-Gruppenhaus in der Nähe von Kassel.

"Wir, das sind Engagierte von der Rader Flüchtlingshilfe, aus Gemeinden, Vereinen und interessierte Bürger. 40 Zugewanderte waren dabei", schreibt Kuna. Die Idee für die Fahrt entstand im Herbst: Zugewanderte und Deutsche wollten zusammen eine Ferienfreizeit organisieren.

"Die Gründe waren vielfältig: Etliche unserer Zugewanderten sind seit fast zwei Jahren in Rade und haben eine sehr schwierige Zeit erlebt: kein ausreichendes Angebot an Deutschkursen, nur minimale Hilfestellungen aller Art, keine Kontakte zu Bürgern, keine spürbare Willkommenskultur in der Verwaltung. Und dazu das nervenzehrende Warten, dass das Asylverfahren nun endlich eröffnet würde. Viele Ängste und Unsicherheiten, viele Traumata des Krieges und der Flucht, die noch nicht aufgearbeitet werden konnten, viel Einsamkeit", beschreibt Birgit Kuna. Deshalb wurden viele Menschen, Gemeinden und Unternehmen eingeladen, sich an der Freizeitidee zu beteiligen.

Die Resonanz war überwältigend, die Spendenbereitschaft von katholischer Gemeinde St. Marien, Martinigemeinde, Lutherischer Gemeinde, Stadtkirchengemeinde Remscheid und Freier Evangelischer Gemeinde Grafweg enorm. "Außerdem geht ein Dankeschön an die Rader Stadtverwaltung und private Spender. Ohne dieses Geld hätten die Zugewanderten an der Freizeit nicht teilnehmen können", sagt Kuna.

Nach Kassel fuhren Familien und Einzelpersonen aus Eritrea, Syrien, Afghanistan, Iran, Nigeria, Somalia, Ägypten und Albanien. "Vieles lässt sich in dieser Gegend über unsere deutsche Kultur und Geschichte lernen: Die Gebrüder Grimm sammelten in diesen Tälern die Märchen, die sich die Menschen vor 300 Jahren erzählten und schrieben sie auf. Und im Zweiten Weltkrieg wurden in dieser Gegend Bomben gebaut mit den Zwangsarbeitern des Ostens - und nach der kompletten Zerstörung vieler Stadtteile von Kassel wurde wieder aufgebaut. Auch das hat aus aktuellem Anlass die Zugewanderten interessiert", berichtet sie.

Das gemeinsame Frühstück wurde jeweils in kleinen und stets wechselnden Teams vorbereitet. Zu Beginn des Essens wurden deutsche Kanons gesungen, was besonders den Kindern großen Spaß machte.

Die Gruppe besuchte in den acht Tagen eine riesige Modelleisenbahnlandschaft, erkundete ein Märchenmuseum, meisterte die mehr als 400 Stufen zum Kasseler Unesco-Weltkulturerbe Bergpark, schipperte auf der Fulda und folgte dem Themenweg "Hirschhagener Sprengstoffproduktion im Zweiten Weltkrieg".

Nachmittags und abends wurden Lebensläufe und Bewerbungsschreiben in Deutsch besprochen und geschrieben. "Das wirklich Wichtige war die gemeinsam verbrachte Zeit, die Gespräche zwischendurch", sagt Birgit Kuna.

Faszinierend: Bei der Freizeit saßen Menschen zusammen, die in ihrem eigenen Land Gegner im Krieg waren. Bei der Freizeit mussten sie lernen, den Krieg nicht in ihren Köpfen weiterzuführen. "Als ich die ,Gegner im Krieg' einmal beim Essen zusammensitzen und miteinander essen sah, da wusste ich, dass wir unser eigentliches Ziel der Freizeit erreicht hatten. Als jemand sagte, er fange an zu verstehen, dass es wichtig war, die Freizeit mit Menschen aus so verschiedenen Herkunftsländern gemeinsam durchzuführen und nicht nach Hautfarbe oder Religion zu trennen, da habe ich gewusst, dass Menschen ins Nachdenken gekommen sind und dass viel mehr passiert ist als das Anschauen von Denkmälern und das Entwerfen von Bewerbungsschreiben", berichtet Kuna.

Ein Teilnehmer sagte im Nachhinein: "Wenn ich auf die Bilder schaue, erscheint mir alles wie ein Traum."

Nach Jahren der Flucht, der Angst und der Unsicherheit kam da vorsichtig Unbeschwertheit, eine Ahnung von Freiheit und Angekommen-Sein zu Tage. Mehr hätten wir im Vorbereitungsteam nicht zu hoffen gewagt, schreibt Birgit Kuna.

JOACHIM RÜTTGEN

(RP)
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