TV-Talk bei Maybrit Illner Frieden in Syrien? "Wir müssen in Dekaden rechnen"

Düsseldorf · Im Talk zur Waffenruhe in Syrien wurde scharf geschossen. Sahra Wagenknecht und Elmar Brok von der CDU zickten sich an, AKP-Politiker Ozan Ceyun redete an allen vorbei. Aber es gab auch Lichtblicke.

Darum ging's: "Waffenruhe in Syrien — Hoffnung auf Frieden?" Alle Parteien sind sich einig: Wir wollen die Fluchtursachen bekämpfen. Einen richtigen Plan scheint aber niemand zu haben. Oder doch?

Darum ging's wirklich: Um die Probleme in Syrien, die verschiedenen Konfliktparteien und die verschiedenen Konfliktpunkte.

  • Hans-Lothar Domröse, ehemaliger Nato-General
  • Gerhard Trabert, Arzt
  • Sylke Tempel, Politikwissenschaftlerin
  • Sahra Wagenknecht (Die Linke), Fraktionsvorsitzende im Bundestag
  • Ozan Ceyhun, deutsch-türkischer AKP-Politiker
  • Elmar Brok (CDU), Mitglied im EU-Parlament

Der Frontverlauf

"Der Waffenstillstand ist die einzige Chance", sagte Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht direkt zu Beginn der Sendung. Und sie schob auch gleich eine zentrale Forderung ihrer Partei hinterher: Es könne nicht sein, dass wir einerseits den Krieg beenden wollen, andererseits aber genau diesen Krieg mit den Waffen des Westens fördern.

"Ich bin dankbar für jede Stunde, aber ob es hält — daran habe ich meine Zweifel", sagte Politikwissenschaftlerin Sylke Tempel. Grund für ihre Skepsis: Viele Gruppierungen und Parteien mit vielen unterschiedlichen Interessen seien an dem Krieg beteiligt.

Live aus Aleppo zugeschaltet wurde der Publizist Jürgen Todenhöfer. Seine Einschätzung von vor Ort: "Es gibt kleinere Zwischenfälle, aber insgesamt hält der Waffenstillstand erfreulich gut — bisher." Die Menschen seien müde, verzweifelt und wollen, dass der Krieg endlich ein Ende hat, berichtete Todenhöfer.

"Es findet ein doppelter Stellverteterkrieg statt. Auf der einen Seite Saudi-Arabien gegen Iran und oben drüber führen die USA einen Stellvertreterkrieg gegen Russland", kritisierte der Publizist.

Dieser Kritik entgegnete der ehemalige Nato-General Hans-Lothar Domröse. Er halte den Waffenstillstand für "sensationell". Grund dafür sei, dass die beiden Supermächte nicht mehr gegeneinander, sondern miteiander kämpfen. Mit dem Waffenstillstand könnten seiner Einschätzung nach sechs Millionen Menschen versorgt werden.

"Die Türkei hat nur ein Ziel: Frieden in Syrien", sagte AKP-Politiker Ozan Ceyun. Dieses Statement brachte die Diskussion ins Rollen: Sahra Wagenknecht kritisierte die türkische Politik und betonte, dass der IS nie so stark geworden wäre, wenn er nicht auch von der Türkei unterstützt worden wäre.

Sylke Tempel ging noch einen Schritt weiter und hob die Verbrechen Assads hervor, die Syrien faktisch noch mehr geschadet haben, als die des IS. "Aleppo sieht aus wie es aussieht wergen der Fassbomben von Assad und nicht wegen des IS."

CDU-Europapolitiker Elmar Brok betonte, dass es rückblickend ein Fehler war, nicht gleich militärisch einzugreifen. Allerdings hätte man es damals nicht wirklich begründen können. "Wir haben in Syrien nicht einen Krieg, sondern drei", sagte Brok. "Wenn wir das entwirren, gibt es eine Chance auf Frieden." Und er betonte auch: Flüchtlinge können nur in die Regionen zurückkehren, die nicht umkämpft sind — in Syrien sei diese Sicherheit derzeit noch nicht gegeben.

"Es ist eine ganz neue Qualität, dass zivile Einrichtungen, Krankenhäuser, zu militärischen Zielen geworden sind", kritiserte der Arzt Gerhard Trabert. Er war mehrfach in Syrien vor Ort, um zu helfen. "Für mich ist die Einhaltung von Menschenrechten die Orientierung." Nur so könne ein langfristiger Frieden realisiert werden. Es müsse wieder möglich sein, Hilfskonvois in diese Regionen zu bringen und Kranke und Kinder zu versorgen.

Spruch des Abends

"Immer dann, wenn die politischen Bosse eine Zielrichtung haben — wie jetzt Amerika und Russland — ist es für uns Handwerker, die die politischen Ziele militärisch umsetzen, ganz einfach", sagte Hans-Lothar Domröse. Und er erklärte auch: "Im Kosovo hat es 25 Jahre gedauert, in Afghanistan 15 — wir müssen in Dekaden rechnen."

Erkenntnis

Diese Sendung hatte viel Inhalt zu bieten, zeigte aber auch sehr deutlich die Probleme. Sahra Wagenknecht und Elmar Brok zickten sich aus parteipolitischen Gründen unwürdig an, AKP-Politiker Ozan Ceyun redete an allen vorbei und vermied es auf die Fragen der Moderatorin zu anworten.

Wenn schon in einer deutschen Talkshow eine gesittete Debatte zum Thema Syrien so schwer fällt, kann man sich nur ausmalen, wie unsicher der Waffenstillstand in dem Krisengebiet tatsächlich ist. Die Lichtblicke der Sendung waren der sachliche Ex-General Hans-Lothar Domröse und auch der Publizist Jürgen Todenhöfer, der in seiner Live-Schalte besonnen die Situation schilderte.

(gol)
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