1,5 Prozent auf alle steuerpflichtigen Einkommen Ukraine erhebt Kriegssteuer

Moskau/Kiew/Brüssel · Während die 28 EU-Regierungen am Donnerstag die Wirtschaftssanktionen der Europäischen Union gegen Moskau offiziell beschlossen, greift die Ukraine zu drastischen Maßnahmen: Die Bürger werden nun für den blutigen Konflikt im Osten des Landes zur Kasse gebeten. Nach langem Zögern beschloss das Parlament in Kiew eine umstrittene Kriegssteuer.

 Ukraines Präsident Petro Poroschenko (rechts) und Ministerpräsident Arseni Jazenjuk haben sich für eine Kriegssteuer stark gemacht.

Ukraines Präsident Petro Poroschenko (rechts) und Ministerpräsident Arseni Jazenjuk haben sich für eine Kriegssteuer stark gemacht.

Foto: ap

Die Kriegsabgabe von 1,5 Prozent auf alle steuerpflichtigen Privateinkommen im Land soll bis zum 1. Januar 2015 gelten. Mit der Steuer soll die umstrittene "Anti-Terror-Operation" im Osten des Landes finanziert werden. Zudem gestattete die Ukraine Australien und den Niederlanden die Entsendung bewaffneter Kräfte an den Absturzort von Flug MH17. Beide Länder dürften insgesamt 950 Soldaten und Ermittler zeitweise in Grabowo stationieren. Die Führung in Kiew kündigte auf Drängen der Vereinten Nationen außerdem eine eintägige Waffenruhe an, um den internationalen Experten endlich Zugang zum Absturzgebiet des malaysischen Passagierflugzeugs zu ermöglichen.

Noch vor einer Woche hatten die Abgeordneten neue Steuergesetze zur Finanzierung des Bürgerkrieges in der Ostukraine abgelehnt. Deshalb hatte auch Regierungschef Arseni Jazenjuk seinen Rücktritt erklärt. Die Freigabe frischen Geldes für die Militäroperation hatte Jazenjuk als Bedingung für seinen Verbleib im Amt genannt.

Das Parlament sprach ihm nun das Vertrauen aus. Jazenjuks Rücktritt am Donnerstag vor einer Woche hatte eine Regierungskrise ausgelöst. Präsident Petro Poroschenko bat ihn mehrfach, im Amt zu bleiben. Poroschenko zeigte sich nun erleichtert angesichts der neuen Finanzierung für den Bürgerkrieg, der das klamme Land aktuell umgerechnet rund 4,5 Millionen Euro am Tag kostet.

Auch das benachbarte Russland dürfte der Ukraine-Konflikt teuer zu stehen kommen. Mit den Strafmaßnahmen, die die EU am Donnerstag in einem schriftlichen Verfahren billigte, soll Russlands Präsident Wladimir Putin dazu gebracht werden, die moskautreuen Separatisten in der Ostukraine nicht länger zu unterstützen. Kernstück der Wirtschaftssanktionen ist eine Erschwerung des Zugangs russischer Banken zu den für Moskau wichtigen Kapitalmärkten der EU.

Zu den neuen Sanktionen gehören auch ein Waffenembargo, ein Ausfuhrverbot für zivil und militärisch nutzbare Güter an das russische Militär und ein Lieferstopp für Spezialgeräte zur Ölförderung. Die ersten Wirtschaftssanktionen der Europäischen Union gegen Russland in der Ukraine-Krise waren bereits am Dienstag von den EU-Botschaftern vereinbart worden. Sie treten am Freitag in Kraft.

Teuer werden könnte für Moskau auch die Zerschlagung des früheren Yukos-Konzerns Anfang des Jahrtausends. Der russische Staat und Gerichte hatten dem früheren Yukos-Eigner und einst reichsten russischen Ölmagnaten Michail Chodorkowski sowie mehreren seiner Geschäftspartner schwere Wirtschaftsstraftaten vorgeworfen.

Urteile gegen Russland

Am Donnerstag wurde Russland zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage wegen seines Vorgehens gegen Yukos zu einer Milliardenentschädigung verurteilt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg sprach den früheren Aktionären eine Entschädigung in Höhe von knapp 1,9 Milliarden Euro zu. In Straßburg wurden Fehler im russischen Steuerverfahren gegen Yukos geahndet.

Erst am Montag hatte der Ständige Schiedsgerichtshof in Den Haag Russland eine Rekordentschädigung von gut 37 Milliarden Euro abverlangt. Die Auflösung von Yukos sei politisch motiviert gewesen, hieß es in dem Schiedsspruch. Im Gegensatz dazu sehen die Straßburger Richter aber keinen politischen Zusammenhang hinter der Yukos-Zerschlagung. Das russische Justizministerium kritisierte das Urteil als "ungerecht" und Beispiel für eine "parteiische Herangehensweise". Russland will beide Urteile juristisch anfechten.

Für Aufmerksamkeit sorgte in Moskau auch die Wiederaufnahme der Untersuchung des aufsehenerregenden Giftmordes an dem Kreml-Kritiker Alexander Litwinenko in London. Das Verfahren, über das das russische Staatsfernsehen am Donnerstag berichtete, soll vor allem die Rolle Russlands in dem Fall beleuchten. Der ehemalige KGB-Agent war 2006 mit radioaktivem Polonium 210 vergiftet worden. Zuvor hatte er in einem Londoner Luxushotel mit zwei ehemaligen Kollegen Tee getrunken. Der Mord belastete damals die diplomatischen Beziehungen zwischen London und Moskau über Monate, weil Moskau den von den Briten ausgemachten Hauptverdächtigen nicht ausliefern wollte.

In der Ukraine-Krise warnte ein Kreis erfahrener Sicherheitspolitiker indes vor einer unabsichtlichen militärischen Eskalation zwischen Russland und dem Westen. Kommunikation und gegenseitige Transparenz der Militärs müssten verbessert werden, um versehentliche Zusammenstöße zu vermeiden, erklärten Experten des European Leadership Network in London. Der Konflikt in der Ostukraine gefährde die Sicherheit aller in Europa. Alle Seiten sollten sich politisch und militärisch zurückhalten und auch ihre Alliierten dazu anhalten.

(dpa)
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