Razzien in NRW - "Gefahrengebiet" in Hamburg Die neue Härte der SPD-Innenminister

Düsseldorf · Die Liste des Handels ist lang: Razzien gegen Rocker, Salafisten, Neo-Nazis und Einbrecher, flächendeckende Tempo-Überwachung der Autofahrer - und in Hamburg wurde der Innenstadtbereich abgeriegelt. Zwei SPD-Landesinnenminister profilieren sich durch eine harte Gangart, die man eher von einem konservativen Politiker erwartet.

So spottet das Netz über #gefahrengebiet
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Foto: Twitter

Ralf Jäger gefällt sich in der Rolle des Machers. Der NRW-Innenminister hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Bürger seines Landes zu schützen. Vor der zunehmenden Gewalt innerhalb der Salafisten- und Rocker-Szene. Den Einfluss von Neo-Nazis will er weiter eindämmen und den Trend dramatisch steigender Einbruchs-Zahlen stoppen. Ebenso die Zahlen der im Straßenverkehr tödlichen verunglückten Autofahrer. Eigens dafür initiierte er den "Blitz-Marathon". Eine richtige Maßnahme, sagen Befürworter. Ein kläglicher PR-Coup, meinen Kritiker.

Tatenlosigkeit können wohl selbst Kritiker dem Politiker nicht vorwerfen. Im Gegenteil: Es ist eine neue innenpolitische Gangart, die der Sozialdemokrat an den Tag legt. Seit Montag ist der Duisburger neuer Vorsitzender der Innenministerkonferenz. Doch Jäger ist nicht allein auf weiter Bundesland-Flur. Ganz weit im Norden, in Hamburg, sitzt ein Jäger-Pendant — zumindest was die Arbeits-Auffassung betrifft.

Neumann verteidigt Vorgehen

Michael Neumann ist SPD-Politiker und Innensenator der Hansestadt Hamburg. Neumann und sein Bürgermeister Olaf Scholz, ebenfalls Spitzen-Genosse, haben sich in diesen Tagen von ihrer durchgreifenden Seite gezeigt. Scholz eilte dieser Ruf bereits seit längerem voraus. Am 4. Januar errichteten beide ein großes "Gefahrengebiet" als Reaktion auf Krawalle und Attacken gegen Polizeibeamte.

Es umfasste Teile von Altona, St. Pauli und des Schanzenviertels. Die Polizei durfte dort jeden Bürger verdachtsunabhängig überprüfen. Dieses Gebiet war bereits am vergangenen Donnerstag auf drei kleinere Zonen reduziert worden. Gegen die Einrichtung des Gefahrengebiets gab es immer wieder massiven Protest.

Scholz und Neumann verteidigten die Maßnahme vehement. "Das Instrument hat sich bewährt und wird sich weiter bewähren", sagte Scholz der "Süddeutschen Zeitung" zu den heftig kritisierten sogenannten Gefahrengebieten.

"Wir lassen nicht locker"

Noch deutlicher wird Jäger, wenn Journalisten ihm die Frage nach dem Warum seiner harten Gangart stellen. "Wir lassen im Kampf gegen Wohnungseinbruch nicht locker." "Wir reißen große Löcher in das Netzwerk der Neonazis." "Wir erhöhen den Druck auf die Salafisten und gehe entschieden gegen ihre demokratiefeindliche Agitation vor."

Jägers und Neumanns Vorgehen machen vor allem eines deutlich: In der Innen- und Sicherheitspolitik möchte die SPD auf einem Gebiet die Führungsrolle übernehmen, das in der Regel als Spezialgebiet christdemokratischer oder christsozialer Politiker gilt: Tatkraft und Kompromisslosigkeit — Jäger und Neumann färben sie rot.

In seiner Antrittsrede als Vorsitzender der Innenministerkonferenz am Montag umriss Jäger bereits die Grundzüge seiner Agenda: "Wir werden es den Kriminellen schwer machen, sich auszubreiten. Wir sorgen für mehr Sicherheit beim Fußball. Und wir wollen junge Menschen vor einem Absturz in den Extremismus schützen. Wir zeigen den Hasspredigern und Neonazis Grenzen auf." So klangen bislang Unions-Innenminister.

Kritik aus der eigenen Partei

Unterstützung erhalten beide aus Baden-Württemberg. Als der neue Justizminister Heiko Maas ankündigte, zur Vorratsdatenspeicherung zunächst keinen Gesetzentwurf vorzulegen, polterte Innenminister Reinhold Gall: "Ich bin der festen Überzeugung, dass wir eine Vorratsdatenspeicherung brauchen und deshalb die im Koalitionsvertrag verankerten Vereinbarungen so schnell wie möglich umgesetzt werden." Mit Blick auf Maas' Alleingang ergänzte er: "Ich hoffe, dass bei der geplanten Klausur des Bundeskabinetts Ende Januar alle Unklarheiten beseitigt werden."

Die SPD stellt derzeit acht Innenminister. Jägers und Neumanns Kurs sind in der Partei umstritten. Nicht wenige Genossen sehen die Hauptaufgabe der SPD nicht in der Innenpolitik. Vielmehr müsse sich die Partei auf ihr Kerngebiet, die Sozialpolitik, konzentrieren. Zumal die harte Gangart in der Innenpolitik für viele eher einen Gegenentwurf zur sozialdemokratischen Integrationspolitik darstellt.

(nbe)
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