Berliner Republik Angela Merkel, die Copy-and-paste-Kanzlerin

Der Entwurf des CDU-Regierungsprogramms liest sich wie das Best-of der SPD-Beschlüsse der vergangenen Jahre. Angela Merkels Strategie ist gewagt. Mobilisieren lässt sich damit nicht.

Die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" hatte neulich eine hübsche Idee. Die Zeitung sammelte 15 Zitate und politische Botschaften, die der Leser einem Politiker zuordnen sollte. Da wurde die Linkspartei als "ideologischer Sperrmüll" bezeichnet, vom Mythos der zu geringen Besteuerung der Reichen geredet und der SPD die Fortschrittsfähigkeit abgesprochen. Wer da auf CDU- oder FDP-Slogans tippte, hätte gute Argumente gehabt. Doch falsch: Gesagt hatte all dies Peer Steinbrück, Kanzlerkandidat der SPD.

Nun könnte man eine Neuauflage machen. Nur andersherum: Jene Passagen des CDU-Wahlprogramms, die bekannt geworden sind, hätte auch die SPD verfassen können. Zum Verwechseln ähnlich sind sich konservative und sozialdemokratische Rhetorik. Beispiele gefällig? "Ordentlicher Lohn für gute Arbeit": gesehen im CDU-Thesenpapier. So stand es beim SPD-Parteitag in Augsburg auf den Werbetafeln. "Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt": gesehen im CDU-Wahlprogrammentwurf. Gleichlautend im SPD-Programm. "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit": neuerdings CDU pur und ein alter Slogan der SPD. "Wir wollen die Finanzmärkte stärker an den Kosten der Krise beteiligen. Deshalb soll möglichst schnell eine Finanztransaktionssteuer eingeführt werden": Passage aus dem CDU-Text. Und wortgleich in einem Finanzmarktpapier der SPD-Politiker Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier. "Bezahlbaren Wohnraum schaffen und Mietpreisbremse einführen": inzwischen bei SPD und CDU gleichermaßen Bestandteil der Programmatik. Ähnliches gilt für den Ausbau der Kinderbetreuung, schärfere Strafen für Lebensmittelbetrug und den Ausbau der Infrastruktur. Selbst das letzte große Streitthema früherer Wahlkämpfe, schwarz-gelbe "Kopfpauschale" gegen "Einheitskasse" von Rot-Grün, zündet nicht mehr. Die Union hat ihr Plädoyer für die Gesundheitsprämie aus ihrem Programm gestrichen.

Hat da einer "Lagerwahlkampf" gesagt? Mit welchen Profilierungsthesen sollen denn nun Unions-Wahlkämpfer an den Infoständen der Marktplätze für Merkel & Co. werben? Viel ist es nicht mehr. "Einige Steuern für wenige erhöhen" (SPD) gegen "keine Steuererhöhungen" (CDU) ist dann schon der schärfste Dissens. Und dann ist da natürlich noch das Betreuungsgeld.

Merkels programmatische Umarmungsstrategie macht einigen Konservativen nun große Sorgen. Meinungsforscher haben der CDU vorgerechnet, dass das schwarz-gelbe Potenzial zwar bei 45 Prozent liegt – aber nur, wenn die CDU ihr Milieu "ausmobilisiert". Ob das Programm dabei hilft, ist eher fraglich.

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(RP)
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