Rückfall in alte Muster Kerber ist nur auf dem Papier die Nummer eins

Düsseldorf · Angelique Kerber wird ab kommendem Montag wieder als Nummer eins der Welt geführt. Doch auf dem Platz ist die Kielerin derzeit weit davon entfernt, die beste Tennisspielerin auf diesem Planeten zu sein. Kerber sucht ihre Form und verfällt in alte Muster, die sie im vergangenen Jahr abgelegt hatte.

Angelique Kerber unterliegt Jelena Wesnina in Indian Wells deutlich
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Kerber unterliegt Wesnina in Indian Wells deutlich

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Foto: afp, cb

Beim hochdotierten Turnier in Indian Wells, in der Szene auch das "fünfte Grand-Slam-Turnier" genannt, war für Kerber im Achtelfinale Schluss. Gegen die Russin Jelena Wesnina strich Kerber die Segel. Und das deutlich. 3:6, 3:6 musste sich die 29-Jährige der Weltranglisten-15. geschlagen geben. "Es war nicht mein Tag. Ich habe mich nicht gut bewegt", sagte Kerber bei der anschließenden Pressekonferenz, lobte aber auch die Gegnerin. "Sie hat gutes Tennis vom Anfang bis zum Ende gespielt, und sie war aggressiv. Ich habe nicht zu meinem Spiel gefunden."

Es ist nicht das erste Mal in dieser Saison, dass Kerber nicht zu ihrem Spiel findet. Von der Form aus dem Vorjahr, in dem sie die Australian Open und die US Open gewann, zudem Olympia-Silber holte und im Wimbledon-Finale stand, ist Kerber derzeit weit weg. Während sie in der vergangenen Saison völlig zurecht auf Platz eins der Weltrangliste stand, profitiert sie nun davon, dass Serena Williams verletzungsbedingt ihre Punkte in Indian Wells aus dem Vorjahr nicht verteidigen kann. Kerber selbst war dort 2016 früh gescheitert und konnte deshalb trotz des Achtelfinal-Aus Punkte gutmachen.

Platz zehn im "Race to Singapur"

Während sie im WTA-Ranking, das die Punkte der vergangenen zwölf Monate berücksichtigt, am Montag wieder den Platz an der Sonne innehaben wird, sieht das im "Race to Singapur" ganz anders aus. Dort werden nur die Punkte ab dem Beginn der Saison gezählt. Dort liegt Kerber aktuell auf Platz zehn. Nach dem Ende des Turniers in Indian Wells wird sie weiter abrutschen.

"Ich hatte schon immer Schwankungen in meinem Spiel. In Dubai zuletzt ging es immer besser und besser", hatte Kerber vor ihrem Auftaktmatch in der kalifornischen Wüste gesagt. Im nahen Osten hatte sie das Halbfinale erreicht, so weit war sie bis dato in diesem Jahr noch nicht gekommen. Betont optimistisch hatte sie sich gegeben. "Es ist auf der Amerika-Tour auf jeden Fall das Ziel, mit dieser Ranglisten-Situation im Rücken noch mal ein bisschen freier aufzuspielen." Zumindest in Indian Wells hat das nicht geklappt.

2016 war ein Kraftakt

Doch woran liegt es, dass Kerber die Form aus 2016 nicht bestätigen kann? Die Gründe dürften vielschichtig sein. Das Jahr hat Kraft gekostet. Nicht nur durch die gestiegene Aufmerksamkeit neben dem Platz mit vielen Presseterminen. Kerber hat 2016 81 Matches auf der WTA-Tour bestritten. So viel wie keine andere Top-Spielerin. Zum Vergleich: Serena Williams brachte es grade einmal auf gut die Hälfte (44). 2017 plagt sich Kerber immer mal wieder mit kleinen Zipperlein herum. Um ihr bestes Tennis zu spielen, muss Kerber topfit sein. Sie lebt von ihrer Physis, der starken Beinarbeit, dank derer sie immer wieder vermeintlich hoffnungslose Ballwechsel noch gewinnt. Mit einem halbvollen Tank wird Kerber ihrer größten Stärken beraubt.

Doch auch spielerisch ist Kerber nicht dieselbe wie 2016. In vielen Matches agiert die Kielerin zu passiv. Das ist nichts Neues bei Kerber, die sich manchmal zu sehr auf ihre Defensivstärke verlässt. Doch im vergangenen Jahr hatte sie diese Schwäche größtenteils abgestellt.

Problem Körpersprache

Und auch Kerbers Körpersprache überzeugt derzeit nicht. Sie wirkt negativ auf dem Platz, als würde sie nicht recht an sich selbst glauben. Kerber hadert, schüttelt mit dem Kopf, wirkt manchmal fast teilnahmslos. Trainer Torben Beltz hat sichtlich Mühe, Kerber in den kurzen Coaching-Sessions, die einmal im Satz während eines Seitenwechsels erlaubt sind, wieder positiv zu stimmen. Auch das ist nicht neu bei Kerber. Experten hatten ihr die negative Körpersprache in der Vergangenheit oft angekreidet. Kerber arbeitete hart an sich und stellte die schlechte Angewohnheit 2016 ab. Doch von der selbstbewussten Kämpferin ist in diesem Jahr noch zu selten etwas zu sehen.

Doch jetzt den großen Abgesang auf Kerber zu starten, wäre töricht. Zumal man die Leistungen der 29-Jährigen einordnen muss. 2016 war für Kerber ein besonderes Jahr. Ein traumhaftes Jahr, das nicht mal eben so zu wiederholen ist. Davor war Kerber jahrelang eine verlässliche Top-Ten-Spielerin. Kerbers Spielweise ist nicht dazu ausgelegt, das Damentennis zu dominieren, wie Serena Williams das über Jahre getan hat. Dafür muss Kerber auf dem Platz zu sehr arbeiten, hat nicht den überragenden Aufschlag wie eine Williams oder auch die Tschechin Karolina Pliskova, die derzeit an Position drei in der Weltrangliste liegt und immer mehr Boden auf Kerber und Williams gutmacht.

Weltranglisten-Erste bis zu den French Open?

Wie lange Kerber ihre Weltranglisten-Position diesmal verteidigen kann, bleibt abzuwarten. Theoretisch könnte Pliskova schon nach dem Turnier in Miami, das nach Indian Wells beginnt, an ihr vorbeiziehen. Dafür müsste die Tschechin aber Indian Wells und das Turnier in Florida gewinnen. Danach beginnt die Sandplatzsaison. Kerber ist Titelverteidigerin in Stuttgart, bei den anderen Turnieren auf der für Kerber ungeliebten Roten Asche schnitt sie 2016 nicht besonders gut ab. Möglich also, dass sie sich als Weltranglisten-Erste bis zu den French Open rettet, da sie nicht viele Punkte verteidigen muss.

Doch die Weltrangliste ist derzeit nicht Kerbers Sorge. "Ich bin in Indian Wells, um Matches zu gewinnen. Das ist das, was ich liebe und wofür ich die letzten Wochen gearbeitet habe", hatte Kerber vor dem Turnier gesagt. In Miami wird sie einen weiteren Anlauf starten. "Ich fliege guter Dinge hin, es ist ja nichts passiert", sagte die Linkshänderin, die seit ihrem Triumph bei den US Open auf einen Turniersieg wartet, fast ein wenig trotzig: "Es wird in einer Saison immer Aufs und Abs geben."

(areh)
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