TV-Bürgercheck “Hart aber fair” Mit Alice Weidel über Flüchtlingspolitik reden

Düsseldorf · Frank Plasberg wählt Sicherheit und Zuwanderung als Themen für seinen letzten "Hart aber Fair"-Bürgercheck vor der Wahl. Fünf Herren und AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel diskutieren über Flüchtlingspolitik und sind sich zeitweilig sogar einig.

Darum ging's

Im Bürgercheck zur Wahl wollte Frank Plasberg herausfinden: "Was muss sich ändern bei Sicherheit und Zuwanderung?" Seine These: Die große Zahl von Flüchtlingen verändere die Gesellschaft und wühle die Menschen auf. Es soll diskutiert werden, ob genug für die Integration der Zuwanderer und für die Sicherheit der Bürger getan wird?

Darum ging's wirklich

Drei Politiker und ein Journalist sprechen über Integration, mögliche Fehler in der Flüchtlingspolitik und Abschiebungen. Ein Student, dessen Eltern aus dem Iran stammen, erklärt, warum Rassismus eher zugenommen hat.

Die Gäste

  • Joachim Herrmann, Bayerischer Staatsminister des Innern, CSU
  • Cem Özdemir, Bundesvorsitzender, Bündnis 90/Die Grünen
  • Alice Weidel, AfD-Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl
  • Nikolaus Blome, Leiter des "Bild"-Politik-Ressorts
  • Omid Saleh, Student, seine Eltern flohen vor Krieg aus dem Iran

Frontverlauf

Die Gäste diskutieren, wer kommen dürfe, wer Deutschland besser wieder verlassen solle, wie auf Rassismus reagiert werden müsse und ob ein Einwanderungsgesetz hilfreich wäre. Eine Bürgerin aus Duisburg fragt aus dem Publikum, wie die Parteienvertreter den Familiennachzug von Flüchtlingen besser regeln und vor allem junge Männer besser integrieren wollten.

Wer darf kommen?

CSU-Mann Joachim Herrmann erinnert an die Genfer Flüchtlingskonvention, nach der anerkannte Flüchtlinge ein Recht auf Familiennachzug haben. Der Grüne Özdemir ist überzeugt, dass es besser für alle ist, wenn Vater, Mutter oder Kind nachziehen dürfen. AfD-Frau Alice Weidel sieht den Fall anders. Sie zeichnet ein bedrohliches Bild, nach dem in den nächsten Jahren zwei Millionen Nachzügler Deutschland heimsuchen würden.

Diese Zahl widerlegt Frank Plasberg mit einer Prognose des Auswärtigen Amtes, nach der 2017 insgesamt weniger als 1.250.000 Menschen im Familiennachzug nach Deutschland kommen werden. Die AfD Politikerin geht darauf nicht ein und sagt nur: "Wir werden ja sehen."

Integration hilft allen

Darauf, dass gute Integration von Flüchtlingen entscheidend ist, können sich alle Gäste einigen. Özdemir betont wie wichtig Sprachkurse seien, zu denen solle man auch nachreisende Familienmitglieder verpflichten. Herrmann erklärt, auch Flüchtlinge, die eventuell wieder gehen müssten oder wollten, sollten ruhig Deutsch lernen.

Der Student Omid Saleh, dessen Eltern aus dem Iran stammen, spricht sich für Familienzusammenführungen aus. Auch seinen Eltern hätte damals sicher geholfen, dass sie sich als Familie gemeinsam in Deutschland einleben konnten.

Auf die Bürgerfrage nach einem Einwanderungsgesetz sagt Alice Weidel, Deutschland sei mittlerweile zum "Auswanderungsland für Hochqualifizierte und Zuwanderungsland für niedrigqualifizierte Menschen" geworden. Vor allem junge Chinesen und Inder aus dem IT-Bereich wollten ohnehin aus Sicherheitsgründen nicht mehr nach Deutschland behauptet sie. Der Grünen-Chef Özdemir hält ihr vor, sie verfolge eine perfide Strategie: "Sie machen unser Land so schlecht, dass niemand mehr kommt."

Frank Plasberg will von der AfD-Spitzenkandidatin wissen, ob nicht ein Familienverbund, wie ihn Student Omid Saleh gelobt hatte, gut für alle sei. Doch die AfD-Politikerin zweifelt an den Identitäten von Flüchtlingen: "Die Frage ist ja zu stellen, wer sich als Syrer ausgibt." Plasberg besteht darauf: "Lassen Sie doch mich die Fragen stellen!" Weidel redet stattdessen darüber, dass Personen mit gültigen Papieren gern ins Land kommen dürften. "Bild"-Journalist Blome nennt das realitätsfern und kritisiert den "Zynismus im Kleingedruckten" der AfD. "Da läuft jemand vor einem folternden Regime davon, und Sie wollen, dass er erst zum Amt geht und Papiere besorgt."

Wer muss wieder raus?

Angesichts der Diskussion um die Abschiebung von acht wegen schwerer Straftaten verurteilter Afghanen will Plasberg von der Runde wissen, wen man wohin abschieben darf. In Düsseldorf hatten 180 Menschen und caritative Organisationen gegen die Abschiebung der Afghanen demonstriert, weil sie die Sicherheitslage in Afghanistan für zu unsicher hielten. Nach einem Anschlag in Kabul hatte die Bundesregierung die Abschiebungen in das Land zwischenzeitlich ausgesetzt.

Özdemir antwortet: "Wer vergewaltigt hat oder anderes Schlimmes getan hat, gehört abgeschoben oder eingesperrt." Er relativiert allerdings, dass man in zu unsichere Länder wie Afghanistan nicht in jedem Fall abschieben dürfe. Der 300.000 Euro teure Flug mit acht Passagieren kurz vor der Wahl sehe für ihn nach einer Strategie im internem Streit zwischen CDU und CSU aus. Da sei es wohl vor allem darum gegangen zu beweisen, wer künftig der bessere Innenminister sei.

Omid Saleh sieht das anders: "Leute, die als Flüchtlinge hier Schutz suchen und das ausnutzen, gehören abgeschoben." Solche Menschen zögen andere Menschen mit Migrationshintergrund in den Dreck.

Auf Rassismus in Deutschland angesprochen sagt der Student, den gebe es hier wie überall. In München sei er einmal an der Bushalte von einem Passanten gefragt worden, ob er ein Terrorist sei. Rassismus dieser Art habe in Deutschland in den letzten Jahren zugenommen. Den Grund dafür sieht er in der "leicht chaotischen Flüchtlingspolitik der Regierung". Außerdem spielten Parteien wie die AfD eine Rolle, "die Rhetorik benutzt, die Leute heiß macht, ihre Probleme auf Ausländer zu schieben."

Weidel hält dagegen und behauptet, viele Menschen hätten eine "komplett verkorkste Wahrnehmung, die aus einer komplett verkorksten Flüchtlingspolitik resultiere". Sie spricht die gestiegene Kriminalität durch Zuwanderer an und bemängelt, das Land erlebe eine "Gewaltspirale, die durch die Decke" gehe, da die Grenzen jedem offen stünden.

Herrmann, Özdemir, Blome und Plasberg mühen sich anschließend gemeinsam, Weidels Zahlen in einen Kontext zu bringen. Blome wirft der AfD-Politikerin vor, extrem zu pauschalisieren. Das sei kaum hilfreich, wenn man eine Spaltung der Gesellschaft verhindern wolle.

Auf die Frage, wie groß die Runde den Einfluss der Flüchtlingspolitik auf die Entscheidung der Bürger bei der Wahl am Sonntag einschätze, sind sich alle relativ einig: "sehr wichtig" bis hin zu "größer als gedacht".

(juju)
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