Diplomatische Krise Der Wahlkampfstreit mit Ankara eskaliert

Den Haag/Berlin · Die Niederlande vereiteln Auftritte türkischer Minister. Ankara spricht von "Faschismus" und droht. Bundesinnenminister de Maizière lehnt türkische Wahlkämpfer ab. Die CDU stellt den Doppelpass infrage.

 Der türkische Staatspräsident Erdogan am Sonntag in Istanbul bei einer Wahlkampfveranstaltung.

Der türkische Staatspräsident Erdogan am Sonntag in Istanbul bei einer Wahlkampfveranstaltung.

Foto: afp, OZN

Kurz vor den niederländischen Parlamentswahlen ist der Streit um türkische Wahlkampfkundgebungen eskaliert. Die Niederlande unterbanden zwei Auftritte türkischer Minister, woraufhin die Türkei das niederländische Konsulat in Istanbul abriegelte, nicht aber verhinderte, dass ein Mann auf dem Gebäude die niederländische durch die türkische Flagge ersetzte. Zudem drohte Ankara den Niederländern mit weiteren Reaktionen in "schwerster Art und Weise". Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu nannte die Niederlande daraufhin "Hauptstadt des Faschismus".

Die Niederlande hatten Bundesaußenminister Sigmar Gabriel gebeten, in seinem Gespräch mit Cavusoglu auf einen Verzicht türkischer Auftritte kurz vor den niederländischen Wahlen an diesem Mittwoch hinzuwirken. Cavusoglu hatte zunächst Verständnis gezeigt, dann aber versucht, zu Auftritten in die Niederlande zu fliegen. Den Haag versagte die Landeerlaubnis. Daraufhin machte sich die türkische Familienministerin Fatma Betül Sayan Kaya per Auto von Deutschland aus auf den Weg nach Holland.

Ihr sei bereits zuvor mitgeteilt worden, dass ihr Auftritt dort "unerwünscht" sei, erklärten niederländische Regierungsstellen. In der Nacht zum Sonntag wurde die Ministerin gestoppt und zurück nach Deutschland eskortiert. Vor dem türkischen Konsulat in Rotterdam kam es zu Ausschreitungen durch niederländisch-türkische Erdogan-Anhänger. Auch in Düsseldorf kam es noch in der Nacht zu Protesten vor dem niederländischen Konsulat.

EU fährt Hilfen für Türkei zurück

Die EU hat damit begonnen, die im Rahmen der Beitrittsverhandlungen vorgesehene Unterstützung für die Türkei zurückzufahren. Es wurden zunächst Programme eingestellt, die nicht die erwünschten Fortschritte erbracht hatten.

"Wir müssen das Thema Doppelstaatlichkeit prinzipiell neu regeln", sagte Innen-Staatssekretär und Niederrhein-CDU-Chef Günter Krings unserer Redaktion. Die immer weitere Öffnung der Mehrfach-Staatsbürgerschaften habe "keinen Beitrag zur Integration geleistet", erklärte Krings. Der Doppelpass könne nur die Ausnahme aufgrund einer besonderen Biografie sein, dürfe aber nie zur Regel werden.

Der Chef der Jungen Union, Paul Ziemiak, verwies auf einen entsprechenden Beschluss des CDU-Bundesparteitages, der sich als richtig erwiesen habe. "Gerade in diesen Tagen müssen wir wieder erleben, zu welchen Problemen und Loyalitätskonflikten eine doppelte Staatsbürgerschaft für Menschen außerhalb der EU führen kann", meinte Ziemiak. Die SPD wies ähnliche Forderungen von CDU-Außenexperte Norbert Röttgen zurück.

Union gegen Wahlrecht für Nicht-EU-Ausländer

Das von Rot-Grün in NRW angestrebte Wahlrecht für Nicht-EU-Ausländer nannte CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn "nur noch absurd". Hannelore Kraft und die Grünen wollten auch den nicht-deutschen Erdogan-Anhängern in NRW das Wahlrecht geben. "Was kommt als nächstes, türkische Parteien in unseren Stadträten?", so Spahn gegenüber unserer Redaktion.

Die CSU setzt sich nach der Zuspitzung im Verhältnis mit der Türkei für einen Abzug der Bundeswehr aus dem türkischen Incirlik ein. Der CSU-Verteidigungsexperte Florian Hahn bezweifelte, ob die Türkei den Schutz der Deutschen umfassend gewähre, und schlug eine Verlegung nach Jordanien vor.

(may-)
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