Umstrittener Unkrautvernichter Glyphosat weitere fünf Jahre in der EU zugelassen

Brüssel · Die EU-Länder haben der Zulassung von Glyphosat für weitere fünf Jahre zugestimmt. Bundesumweltministerin Hendricks wirft der CSU nun einen Vertrauensbruch vor. Landwirtschaftsminister Schmidt verteidigt sich.

18 der 28 EU-Länder stimmten am Montag für einen entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission, wie eine Sprecherin der Behörde mitteilte. Die Kommission werde die Entscheidung vor dem Ablauf der Glyphosat-Genehmigung Mitte Dezember umsetzen.

In der EU wird seit Jahren über den weit verbreiteten Unkrautvernichter gestritten. Eine Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend ein. Untersuchungen von europäischen Lebensmittelsicherheits- und Chemiebehörden sowie aus Kanada und Japan bestätigen diesen Verdacht allerdings nicht. Der Wirkstoff wird seit 40 Jahren auf Feldern eingesetzt.

Europaparlament wollte Verbot bis 2022

Die Verlängerung ist nicht nur bedeutend für Landwirtschaft und Verbraucher, sondern auch für den deutschen Chemieriesen Bayer, der den Glyphosat-Erfinder Monsanto für mehr als 60 Milliarden Dollarübernehmen will.

Glyphosat ist ein sehr wirksames Unkrautgift und wird weltweit in großen Mengen in der Landwirtschaft eingesetzt. Mehr als eine Million Bürger in der EU haben gegen eine weitere Zulassung des Mittels unterschrieben.

Das Verfahren um die Neuzulassung zog sich monatelang hin, weil sich im Kreis der Mitgliedsländer lange weder dafür noch dagegen eine ausreichende Mehrheit fand. Die EU-Kommission wollte zunächst eine Verlängerung um zehn, dann sieben, dann fünf Jahre. Damit setzte sie sich jetzt durch.

Das Europaparlament hatte sich im Oktober dafür ausgesprochen, Glyphosat ab sofort nur noch sehr eingeschränkt zuzulassen und bis 2022 schrittweise zu verbieten.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) kritisierte die deutsche Zustimmung zur Verlängerung der Glyphosat-Zulassung als Vertrauensbruch. Sie habe noch am Montag gegenüber Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) erklärt, sie sei "mit einer Verlängerung der Zulassung von Glyphosat weiterhin nicht einverstanden". Dennoch habe der Vertreter des Landwirtschaftsministeriums in Brüssel für eine Verlängerung gestimmt - wer an "Vertrauensbildung zwischen Gesprächspartnern interessiert" sei, könne sich so nicht verhalten. Ähnlich äußerte sich die SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles.

Schmidt verteidigte die Entscheidung für eine Verlängerung des umstrittenen Unkrautvernichtungsmittels. "Mit unserer heutigen Zustimmung zur weiteren Zulassung von Glyphosat für fünf Jahre konnten wir wichtige Bedingungen durchsetzen", sagte Schmidt unserer Redaktion. Der Minister nannte die "Stärkung der Rolle von Biodiversität und Tierschutz", weitere Aufklärung im Hinblick auf die gesundheitlichen Gefahren für den Menschen und eine "Prüfung der Optimierungsmöglichkeiten des Genehmigungsverfahrens für Pflanzenschutzmittelwirkstoffe".

Schmidt begründete das deutsche Abstimmungsverhalten in Brüssel damit, dass die EU-Kommission "sich ohnehin für die Verlängerung der Zulassung von Glyphosat entschieden" hätte. "Die Kommission hätte damit den Wirkstoff ohne diese Bedingungen verlängert." National werde man zusätzliche Maßnahmen im Sinne restriktiverer Anwendungen ergreifen, versprach Schmidt.

Das Verfahren zur weiteren Zulassung des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat ist recht unübersichtlich - es ist handelt sich um ein sogenanntes Komitologie-Verfahren bei der EU-Kommission.

Die wichtigsten Akteure:

  • Die EU-Kommission ist die eigentliche Entscheidungsinstanz: Sie muss über den Antrag der Hersteller auf weitere Zulassung der Chemikalie in Europa befinden.
  • Die EU-Mitgliedstaaten haben eine beratende Rolle im sogenannten PAFF-Komitee, in das sie Experten entsenden. Diese stimmen dort ab. Finden sie keine qualifizierte Mehrheit für oder gegen die Zulassung, geht die Entscheidung zurück an die Kommission. Diese hat aber im Fall von Glyphosat erklärt, man setze auf eine eindeutige Maßgabe der Mitgliedstaaten.
  • Das Europaparlament hat in diesem Verfahren eigentlich keine Rolle. Allerdings gibt es eine klare Meinungsäußerung der Abgeordneten: Sie sprachen sich Ende Oktober mit Mehrheit dafür aus, das Herbizid bis 2022 schrittweise zu verbieten.
(csr, qua)
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