Krise in der Ukraine Russlands Nachbarn sind stumm vor Angst

Moskau · Die Krim-Übernahme und die jüngsten Vorgänge in der Ost-Ukraine, wo prorussische Gruppen den Anschluss an Moskau mit Gewalt erzwingen wollen, beunruhigen die früheren Sowjetrepubliken. Auch sie haben oft größere russische Minderheiten in ihrer Bevölkerung.

Das aggressive Vorgehen Russlands auf der Halbinsel Krim und die Gewalt in der Ost-Ukraine mit Toten und Verletzten haben die Staaten der ehemaligen Sowjetunion eingeschüchtert. Angesichts russischer Minderheiten im eigenen Land oder ungelöster Territorialkonflikte vermeiden es die meisten Staatenlenker im postsowjetischen Raum, die Annexion der Krim eindeutig zu verurteilen oder gutzuheißen. Betroffen sind:

Weißrussland Als Präsident Wladimir Putin seinem Amtskollegen Aleksandr Lukaschenko zum "Tag der Vereinigung der Völker Russlands und Weißrusslands" gratulierte, wird dieser das mit gemischten Gefühlen betrachtet haben: Die russisch-weißrussische Union existiert seit 1996 unter großen Spannungen. Ähnlich wie in der Ukraine gibt es in Weißrussland viele Menschen, die Russisch besser beherrschen als das weißrussische Idiom. Das erklärt Lukaschenkos widersprüchliche Aussagen. "Die Krim ist heute ein Teil russischen Territoriums. Das kann man anerkennen oder nicht — es ändert nichts an der Tatsache", befand er, warnte aber: "Weiter sollte niemand in die Ukraine vordringen."

Moldawien In einer schwierigen Position ist Moldawien: Die Situation im russischsprachigen Ostteil Transnistrien war Thema des Telefongesprächs zwischen Putin und US-Präsident Barack Obama. Die Amerikaner befürchteten, Russland könnte auch den Anschluss Transnistriens planen. Moldawien hatte beim Gipfel in Vilnius im November gemeinsam mit Georgien das Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnet. An der Westausrichtung seiner Führung und den demokratischen Fortschritten in dem Land gibt es keine Zweifel.

Kasachstan Einen deutlichen Kurswechsel absolvierte Präsident Nursultan Nasarbajew. Zu Beginn der Krim-Krise bot er sich als Vermittler zwischen dem Westen und Russland an. Als diese Dienste nicht gebraucht wurden, schwenkte er um: Ein Statement seines Außenministeriums bezeichnete das Referendum auf der Krim als "freie Willensäußerung der Bevölkerung einer autonomen Republik". Der Kurswechsel geschah wohl auf Druck Moskaus. In Kasachstan, das mehrheitlich von Muslimen bewohnt wird, stellen die im Norden des Landes ansässigen Russen 23 Prozent der Bevölkerung. Russisch ist für 95 Prozent die Verkehrssprache.

Turkmenistan Im diktatorisch regierten Turkmenistan wird gar versucht, die Ereignisse in der Ukraine komplett zu verschweigen — aus Angst, man könnte sich mit dem ukrainischen "Maidan-Virus" infizieren: Bürger, die mehr Freiheit einfordern.

Kirgistan Staatschef Almazbek Atambajew hat die Interims-Regierung in Kiew anerkannt; die Annexion der Krim bewertete er dagegen nicht. Atambajew kann sich diese Freiheit gegenüber Moskau erlauben. "Er hat seine wichtigste Aufgabe erfüllt - die Beseitigung der US-Luftwaffenbasis in Manas", sagt der russische Zentralasien-Experte Arkadi Dubnow.

Georgien Ein differenziertes Bild bietet sich im Kaukasus. Georgien, das beim Gipfel in Vilnius den Assoziierungsvertrag mit der EU unterzeichnete, hat sich mit den prowestlichen Kräften in der Ukraine solidarisiert.

Armenien Das Land ist streng auf der Kreml-Linie, kein Wunder, kämpft die Kaukasus-Republik doch seit mehr als 20 Jahren um den Status der Exklave Berg-Karabach, die völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehört, aber von Armenien kontrolliert wird.

Aserbaidschan Präsident Ilham Alijew enthielt sich einer Bewertung der Ereignisse in der Ukraine. Trotzdem stimmte Aserbaidschan gemeinsam mit Georgien und Moldawien bei der Uno-Vollversammlung am 23. März dafür, das Referendum auf der Krim als ungültig anzusehen.

(RP)
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