Berlin Mit aller Schärfe gegen Judenhass

Berlin · Auch der Innenminister will jetzt einen Antisemitismusbeauftragten installieren. Der Zentralrat der Juden fordert das schon länger.

Manchmal sind es erst die erschütternden Bilder, die mehr Bewegung in eine schon seit Jahren dahingleitende politische Debatte bringen. Erst nachdem am Brandenburger Tor vor gut einer Woche Israel-Flaggen brannten - entzündet von einem wütenden pro-palästinensischen, arabischen und türkischen Mob - scheint die Bundesregierung wachgerüttelt zu sein: Der geschäftsführende Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hat sich für einen Antisemitismusbeauftragten der Regierung ausgesprochen.

"Nicht nur aufgrund der jüngsten Vorfälle halte ich es für richtig, einen Antisemitismusbeauftragten einzusetzen", sagte er der "Bild am Sonntag". Dies habe ihm auch eine unabhängige Expertenkommission empfohlen: "Jede antisemitisch motivierte Straftat ist eine zu viel und eine Schande für unser Land."

Antisemitische Übergriffe in Deutschland nehmen seit Jahren zu, nicht nur durch die muslimische Bevölkerung. Allein in Berlin wurden seit Anfang 2016 mehr als 900 (nicht immer strafrechtlich relevante) antisemitische Vorfälle gemeldet, viele von ihnen auch motiviert durch neo-nationalsozialistisches Gedankengut. Allerdings hat der starke Zuzug junger Muslime etwa aus Syrien, dem Irak oder Nordafrika seit 2015 die israelfeindliche Stimmung im Land deutlich verstärkt. Dies zeigt sich auch an Schulen in muslimisch geprägten Wohngegenden. An einer Berliner Schule etwa wurde in diesem Jahr ein jüdischer Junge wiederholt von muslimischen Mitschülern bedroht und angegriffen, ohne dass Lehrer bereit gewesen wären, ihn zu schützen.

Es gehe auch um die Zunahme der Zahl abschätziger Bemerkungen, unpassender Witze und diskriminierenden Verhaltens gegen jüdische Mitbürger, sagte de Maizière: "Judenfeindlichkeit darf in Deutschland nie wieder um sich greifen." Der CDU-Politiker fügte hinzu: "Wir können nicht dulden, wenn Fahnen eines Staates öffentlich verbrannt werden. Es ist das symbolische Vernichten des Existenzrechts eines Landes. Hier sollte, wenn möglich, polizeilich eingegriffen werden." Das Verbrennen einer offiziellen Botschaftsflagge stehe unter Strafe. Die Polizisten am Brandenburger Tor sollen jedoch nur zögerlich reagiert haben, als die Israel-Flaggen brannten.

Eine handlungsfähige Bundesregierung wird erst im Frühsommer stehen. Bis die Regierung einen Antisemitismusbeauftragten installiert hat, könnte gut ein Jahr vergehen. Die Zeit drängt jedoch, denn arabische Gruppen mobilisieren jetzt gegen Israel und allgemein gegen Juden, die sie stellvertretend für die Politik anderer verantwortlich machen. Sie reagieren auf die von US-Präsident Donald Trump verkündete Anerkennung Jerusalems als alleiniger Hauptstadt Israels.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte der Funke-Mediengruppe: "Ich finde es unerträglich, dass in Deutschland israelische Flaggen brennen. Solche Ausbrüche von Hass dürfen nicht auf unseren Straßen zelebriert werden." Der Zentralrat der Juden appellierte an die Islamverbände, stärker gegen antisemitische Tendenzen in Moscheegemeinden vorzugehen. "Repräsentanten der Muslime haben sich durchaus gegen Antisemitismus positioniert", sagte der Präsident des Zentralrates, Josef Schuster, der "Welt". Das Problem aber sei, dass die muslimischen Verbände meist nur einen kleinen Teil der Moscheegemeinden erreichten. "Und hier muss man leider sehen, dass in vielen dieser Moscheegemeinden weiter nicht nur nicht gegen Antisemitismus vorgegangen wird, sondern weiterhin Vorbehalte gegen Juden und gegen Israel verbreitet werden und von Imamen entsprechend gepredigt wird." Schuster forderte: "Hier sind die muslimischen Verbände aufgerufen, deutlich zu machen, welcher Wertekodex in Deutschland gilt und für alle, die in diesem Land leben wollen, bindende Voraussetzung ist."

Bereits im Mai hatte Schuster gefordert, wofür Innenminister de Maizière sich nun aussprach. "Es wäre sehr sinnvoll, im Bundeskanzleramt einen Antisemitismusbeauftragten zu installieren", sagte Schuster damals unserer Redaktion. "Wir brauchen einen Beauftragten, der die Entwicklung ständig im Blick behält, die Verantwortung für politische Initiativen hat und Ansprechpartner ist."

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, forderte härtere Strafen gegen judenfeindliche Übergriffe. Auf deutschen Straßen entlade sich wieder offener, aggressiver Judenhass. "Hier geht es nicht um Trump oder Jerusalem, sondern um blanken Antisemitismus, der durch nichts zu rechtfertigen ist, und für den es in Deutschland keinen Raum geben darf", sagte sie der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".

(mar)
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