Analyse Unesco-Austritt mit Ansage

Washington · Die Ankündigung der USA, aus der Unesco auszutreten, kommt wenig überraschend. Nicht erst seit Donald Trump steht Washington den Vereinten Nationen und ihren Institutionen kritisch gegenüber.

Die USA werden zum 31. Dezember nächsten Jahres aus der Unesco austreten. Das Außenministerium in Washington begründete den Schritt damit, dass die UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur sowohl grundlegende Reformen brauche als auch weiterhin antiisraelische Tendenzen erkennen lasse. Zudem spiegele der Schritt die Sorge über wachsende Defizite im Haushalt der Unesco, heißt es in einer nur drei kurze Absätze langen Erklärung des Außenministeriums. Gleichwohl wolle man über das Jahr 2018 hinaus als Beobachter weiterhin engagiert bleiben, um ihre Sicht auf die Dinge und eigene Erfahrungen einzubringen.

So plötzlich die Entscheidung am Donnerstag verkündet wurde - wirklich überrascht hat sie eigentlich niemanden. Dass Donald Trumps politisches Motto "America First" eine tiefe Skepsis gegenüber den Vereinten Nationen einschließt, ist nichts Neues. Zudem Trump die kompromisslose Verteidigung israelischer Interessen zu einem festen Prinzip seiner Außenpolitik erklärt. Im Wahlkampf versprach er, die amerikanische Botschaft in Israel, mit einer langjährigen Tradition brechend, von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen. Trifft er sich mit Benjamin Netanjahu, dem israelischen Premier, stellt er eine durch keinerlei Differenzen getrübte Männerfreundschaft zur Schau. Seine UN-Botschafterin Nikki Haley wiederum hat wiederholt scharfe Kritik an der Unesco geübt, die im amerikanischen Diskurs stets aufs Neue als ein Symbol für die vermeintlichen Irrwege der Staatenorganisation Prügel bezieht.

Nach einem Bericht des Fachmagazins "Foreign Policy" sollen die Würfel bereits im September gefallen sein. Schon damals soll Außenminister Rex Tillerson dem Präsidenten Frankreichs signalisiert haben, dass man die Unesco demnächst verlasse. Emmanuel Macron, zur UN-Generaldebatte nach New York geflogen, hatte bei Trump und Tillerson um Rückendeckung für eine Politikerin gebeten, die die aktuelle Unesco-Direktorin Irina Bokowa im Amt beerben sollte: Audrey Azoulay, eine frühere französische Kulturministerin. Tillerson, schreibt "Foreign Policy", habe sich allerdings nicht darauf eingelassen. Im Übrigen habe er verhindern wollen, dass die Zahlungsrückstände seines Landes weiter anwachsen - und daher die Reißleine gezogen. Momentan stehen die Vereinigten Staaten, die seit 2011 keine Beiträge mehr zahlen, bei der Unesco mit mehr als 500 Millionen Dollar in der Kreide.

Was sich hinter den vom Außenministerium beklagten israelfeindlichen Tendenzen verbirgt, dafür führt Tillersons Stab zwei Beispiele ins Feld. Für Verärgerung sorgte etwa der im Sommer gefasste Entschluss, die Altstadt von Hebron zum gefährdeten palästinensischen Weltkulturerbe zu erklären, ohne dabei auch die heiligen Stätten der Juden in Hebron zu berücksichtigen.

Zum anderen zeichnet sich beim Rennen um die Nachfolge der Bulgarin Bokowa ab, dass ein Kandidat aus Katar, Hamad bin Abdulaziz al-Kawari, gute Karten hat. Auf Katar aber ist Trump gar nicht gut zu sprechen, zeitweilig ging er sogar so weit, die Argumente Saudi-Arabiens zu übernehmen, nach denen der kleine Golfstaat Terroristen unterstützt. Jedenfalls gilt Al-Kawaris aussichtsreiche Bewerbung in amerikanischen Augen als Beleg dafür, dass sich an der angeblich antiisraelischen Schieflage der Unesco so bald nichts ändern wird.

Vor sechs Jahren war es der Streit um den Beitritt der palästinensischen Autonomiebehörde, der das Kabinett Barack Obamas veranlasste, die Zahlungen einzufrieren. Ein empfindlicher Schlag für die Organisation, deren Budget bis dahin zu 22 Prozent von den Vereinigten Staaten bestritten wurde. Angesichts der Gesetzeslage, so hatten Obamas Berater seinerzeit betont, bleibe dem Weißen Haus leider nichts anderes übrig, als einen Schritt zu gehen, den es lieber vermieden hätte. Zweimal in Folge, 1990 und 1994, hat das Parlament auf dem Capitol Hill die Exekutive dazu verpflichtet, einer UN-Behörde die Mittel zu streichen, sobald sie Palästinensern die Mitgliedschaft zugesteht. Bokowa, schon damals Unesco-Direktorin, war seinerzeit eigens nach Washington gereist, um bei Kongressabgeordneten auf eine Änderung der Paragrafen zu drängen, am Ende vergebens. Immerhin, an den Ausstieg aus der Unesco hat Obama zu keiner Zeit gedacht.

Anders Trump, in dessen Kalkül sich im Augenblick alles darum zu drehen scheint, dem harten Kern seiner Anhänger Erfolge zu präsentieren: erfüllte Wahlversprechen und Beweise kompromissloser Härte. Im Grunde wiederholt er nur, was Ronald Reagan, bis heute der Held des konservativen Amerika, auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges vorgemacht hatte. Bereits 1984 hatte Washington der Unesco den Rücken gekehrt: Wuchernde Korruption und ideologische Nähe zur Sowjetunion galten damals als Gründe. Die Pariser UN-Filiale, kritisierten Reagans Leute, diene nur als Bühne, auf der die Dritte Welt die USA und Israel an den Pranger stellen könne. Das britische Kabinett, geleitet von Margaret Thatcher, schloss sich den Amerikanern übrigens an, bevor das Vereinigte Königreich den Schritt 1997 korrigierte.

In Washington war es interessanterweise George W. Bush, der zur Kehrtwende blies. Im Jahr 2002, der US-Präsident warb um Koalitionspartner für seinen geplanten Feldzug im Irak, versuchte er mit dem eher symbolischen Akt des Wiedereintritts den Eindruck zu entkräften, nach dem ausnahmslos Alleingänge im Interesse seines Landes sein Denken bestimmen. Man werde sich, versprach Bush, in vollem Maße an der Mission der Unesco beteiligen, um Menschenrechte, Toleranz und das Lernen zu fördern.

(RP)
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