Luxemburg/Düsseldorf EU-Gericht will Ökostrom-Förderung kippen

Luxemburg/Düsseldorf · Folgen Europas höchste Richter heute wie erwartet dem Generalanwalt, müssen auch ausländische Ökostrom-Produzenten die heimische Förderung erhalten. Das Urteil kann das gesamte EEG zu Fall bringen, erwarten Experten.

Mit bangem Blick schaut die Bundesregierung heute nach Luxemburg. Eigentlich geht es vor dem Europäische Gerichtshof (EuGH) nur um einen kleinen finnischen Windkraft-Erzeuger, der Strom nach Schweden verkaufen möchte. Tatsächlich aber werden Europas höchste Richter ein Grundsatz-Urteil fällen, das sich auf alle nationalen Fördersysteme in der EU auswirken wird. Auch das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) dürfte damit ins Wanken geraten. Ausländische Ökostrom-Produzenten dürften dann im großen Stil versuchen, Strom nach Deutschland zu liefern und hier die EEG-Umlage zu kassieren, was die Kosten zu Lasten der Stromkunden explodieren lassen würde.

Der konkrete Fall Das finnische Unternehmen Alands Vindkraft erzeugt Windkraft in Finnland, ist aber an das schwedische Netz angeschlossen. Nun will Alands seinen Strom ins Nachbarland exportieren und in den Genuss der schwedischen Förderung für Ökostrom gelangen. Das lehnt Stockholm ab.

Erwartetes Urteil Der Generalanwalt des EuGH, dessen Votum die Richter in der Regel folgen, unterstützt die Finnen. Yves Bots hatte im Januar erklärt, die Ökostrom-Förderung könne grundsätzlich zwar territorial beschränkt werden, das Recht auf freien Warenverkehr in der EU stehe dem aber entgegen und sei höher zu bewerten. Daher sollten die Teile der EU-Richtlinie, die nationale Fördersystem erlauben, für ungültig erklärt werden. Als Übergangsfrist hat Bots lediglich eine Zeit von zwei Jahren beantragt.

Bedeutung für Deutschland "Mögliche Konsequenz einer solchen Entscheidung des EuGH könnte sein, dass auch das deutsche Fördersystem für Strom aus ausländischen Anlagen geöffnet werden müsste", sagt der Energieexperte der Düsseldorf Anwaltskanzlei Clifford Chance, Peter Rosin. Da das deutsche EEG in Europa als besonders üppig dotiert gilt, würde eine Öffnung "erhebliche Leistungsströme" anlocken, so der Experte.

Offiziell wiegelt die Bundesregierung zwar ab und erklärt, das Verfahren betreffe nur das schwedische Fördersystem, das mit dem deutschen nicht vergleichbar sei. Tatsächlich aber fürchtet sie, dass das Urteil als Grundsatz-Urteil gegen die deutschen Interessen fällt, wie es in Berliner Kreisen heißt. Sollten die deutschen Fördertöpfe allen Europäern zugänglich gemacht werden, würden alle Erzeuger von Strom aus Wasserkraft und Wind in das deutsche System wechseln.

Folgen für Stromkunden Entsprechend teuer würde es für die Stromkunden in Deutschland. Schon jetzt zahlen sie 6,2 Cent pro Kilowattstunde Strom. Mit einem Ansturm ausländischer Ökostromanbieter würde die Umlage explodieren. Das wäre nicht nur eine Gefahr für den Industriestandort, sondern auch politisch nicht vermittelbar.

Entsprechend alarmiert ist der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) und verweist auf eine Studie der Stiftung Umweltenergierecht. Diese betont zwar, dass nationale Fördersysteme mit EU-Recht vereinbar seien, da der Binnenmarkt bei Strom ohnehin nicht vollendet sei und der Gesetzgeber einen entsprechenden Spielraum habe. Die Stiftung fürchtet aber auch, dass das EEG als Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit gewertet wird.

Folgen für den Streit mit Brüssel Brisant ist der Richterspruch auch, weil er im aktuellen Streit zwischen EU und Bundesregierung als Munition für Brüssel dienen wird. Die Kommission hat die EEG-Umlage, die Deutschland von konventionell erzeugtem Strom aus dem Ausland erhebt, als zollgleiche Abgabe kritisiert. Die EU fordert, dass etwa französischer Atomstrom wie der selbst produzierte Eigenstrom der deutsche Industrie begünstigt wird. Berlin lehnt das ab. Damit droht die EU, die am Freitag vom Bundestag verabschiedete EEG-Reform abzulehnen. Da hilft es auch nicht, dass Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel nun in einem Brief an Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia betont, dass die EU-Richtlinie nationale Fördersysteme erlaube und Brüssel sehr spät Bedenken geäußert habe. "Ich denke, dass wir auf gutem Weg sind, dass das EEG 2014 im Juli von der Kommission genehmigt werden kann", schreibt Gabriel in dem Brief, der unserer Zeitung vorliegt. Das denken viele in Berlin längst nicht mehr.

(RP)
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