Paris Brasiliens neuer Hoffnungsträger

Paris · Nach der enttäuschenden Heim-WM trainiert Carlos Dunga zum zweiten Mal den Fußball-Rekordweltmeister.

Auf ihrer Wiedergutmachungstour kehrt die "Seleção" an einen weiteren Ort, der schmerzliche Erinnerungen wachruft, zurück: Im Pariser Stade de France, wo die brasilianische Fußball-Nationalmannschaft das WM-Finale 1998 mit 0:3 gegen Zinedine Zidane und Co. verlor, kommt es heute (21 Uhr) zum erneuten Duell mit Angstgegner Frankreich. Doch so oft die Mannschaft von Trainer Carlos Dunga (51) auch gewinnen mag, die Jahrhundert-Blamage beim 1:7 im Halbfinale gegen Deutschland wird dadurch nicht gelöscht. "Die Schande der Heim-WM wird niemals vergessen werden. Seit der Rückkehr von Dunga wurden sechs Siege in Serie registriert, aber man muss noch viel mehr tun", mahnte das brasilianische Nachrichtenportal "Terra".

Für Brasilien ist es der erste Test gegen einen starken europäischen Gegner. Bislang hat der Rekord-Weltmeister (fünf Titel) seit dem Comeback des früheren Stuttgarters Dunga auf der Trainerbank alle Spiele gewonnen und dabei durchaus überzeugt: Erzrivale Argentinien wurde bezwungen (2:0), die starken südamerikanischen Nachbarn Kolumbien (1:0) und Ecuador (1:0) auch. Dazu gab es Siege gegen Japan (4:0), die Türkei (4:0) und Österreich (2:1). Nun also Frankreich. "Das ist unsere größte Herausforderung in dieser neuen Phase", sagte Jefferson, der 32 Jahre alte Torwart von Botafogo. Drei Tage später trifft Brasilien in London auf Südamerika-Meister Chile - ein weiterer Test mit Blick auf die Copa America (11. Juni bis 4. Juli), bei der Gastgeber Chile seinen Titel verteidigen will.

Dunga, dessen erste Amtszeit mit dem 1:2 im WM-Viertelfinale 2010 in Südafrika gegen die Niederlande zu Ende ging, ignoriert die Tradition des frohen Samba-Fußballs und setzt wie selten zuvor in der brasilianischen Geschichte nicht in erster Linie auf Offensive. Einer starken Abwehr um die Frankreich-Profis Thiago Silva, David Luiz, Marquinhos (alle Paris St. Germain) und Fabinho (AS Monaco) gilt das Hauptaugenmerk.

Das hat nicht nur mit der Schlappe gegen Deutschland zu tun, sondern auch mit dem akuten Mangel an ganz großen Talenten. Die Favela-Bolzplätze in Rio oder sonstwo produzieren - von Neymar mal abgesehen - keine Stars mehr vom Stile eines Pelé, Zico oder Ronaldo. Kein Wunder, dass Dunga vorne auf Spieler setzt, die nie den ganz großen Durchbruch geschafft haben wie etwa Robinho (31).

Bei Weltmeisterschaften verlor Brasilien zuletzt dreimal gegen Frankreich (neben dem Finale 1998 auch die Viertelfinals 1986 und 2006). Vor allem aber das 0:3 vor 17 Jahren - damals waren die heutigen Nationaltrainer Dunga und Didier Deschamps Kapitäne ihrer Mannschaften - hat Brasilien leiden lassen. "Das tut immer noch weh", räumte sogar Barcelona-Star Neymar ein, der damals sechs Jahre alt war.

Für Frankreich, das als Gastgeber der Endrunde zur Europameisterschaft 2016 zur Zeit keine Qualifikationsspiele bestreiten muss und sich in Ruhe auf das Turnier vor eigenem Publikum vorbereiten kann, tritt dem Duell entspannter entgegen. Dank der guten Leistung bei der WM in Brasilien, als das Aus mit dem 0:1 im Viertelfinale gegen den späteren Weltmeister Deutschland kam, und Siegen gegen starke Teams wie Spanien hat Trainer Didier Deschamps die Misserfolge und Affären vergangener Jahre ein wenig vergessen machen können. Zuletzt gab es ein 1:0 über Schweden. Gegen Brasilien fehlen wegen Verletzungen aber zwei Stützen: Mittelfeldmann Paul Pogba und Torwart Hugo.

(DPA)
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