Staaten suchen eine Lösung Schon vor dem Gipfel gibt es Streit

Brüssel · Von Verzweiflung getrieben strömen Flüchtlinge auf der Balkanroute nach Westeuropa. Ein Krisentreffen der betroffenen Staate soll am Sonntag Lösungen erarbeiten. Doch schon im Vorfeld verschärft sich der Ton.

Polizisten empfangen einen Flüchtlingstreck an der kroatisch-slowenischen Grenze.

Polizisten empfangen einen Flüchtlingstreck an der kroatisch-slowenischen Grenze.

Foto: afp, tlr

Angesichts der chaotischen Lage der Flüchtlinge in Südosteuropa wollen mehrere Staats- und Regierungschefs Möglichkeiten für eine bessere Zusammenarbeit ausloten. Bei einem Krisentreffen kommen an diesem Sonntag (25. Oktober) in Brüssel dazu Spitzenpolitiker aus den EU-Staaten Österreich, Slowenien, Kroatien, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und Griechenland zusammen, aus Deutschland reist Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an. Auch die Nicht-EU-Länder Mazedonien und Serbien sind vertreten.

Eingeladen hat EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Er hofft, dass die Teilnehmer sich auf eine enge Kooperation und neue Kommunikationskanäle verständigen. So sollen die Länder der Balkanroute einander künftig über die Flüchtlingsströme auf ihrem Gebiet informieren.

Stunden vor Beginn des Gipfels verschärft sich der Ton. gegenseitige Vorwürfe werden laut. Auch in Richtung Deutschland. "Wir sind am Limit", sagte Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) der "Kronen Zeitung". 6500 Flüchtlinge reisten jeden Tag nach Österreich ein, Deutschland nehme aber nur 4500 Personen auf. "Deutschland übernimmt aktuell einfach zu wenig Flüchtlinge", so Mikl-Leitner.

Sollte die EU-Außengrenze in Griechenland nicht rasch geschützt werden, sei ein Zaunbau an Sloweniens Grenze zu Kroatien "überlegenswert". Das Verhalten der flüchtenden Menschen werde außerdem zusehends panisch, sagte Mikl-Leitner. "Man muss mit Gewalt rechnen - und unsere Polizei wird mit Gegenmaßnahmen reagieren müssen."

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) warnt in dem Blatt vor einem "leisen Zerfall der EU", sollte keine gemeinsame Lösung gefunden werden. Dass jedes Land zum Schutz eine Mauer baue, dürfe keine Alternative sein.

Vorschläge machte die EU-Kommission in einem vorab in die Hauptstädte verschickten 16-Punkte-Plan. Auf seiner Grundlage sollen hohe Diplomaten eine Abschlusserklärung erstellen. "Nachbarn sollten nicht gegeneinander arbeiten", heißt es in dem Papier.

Die Realität sieht anders aus. Die Staaten entlang der Route sind froh, wenn die Flüchtlinge das eigene Gebiet gar nicht erst betreten oder zumindest rasch weiterziehen - das gilt auch für EU-Nachbarn. Ungarn riegelte die Grenze zu Kroatien mit Stacheldraht ab, Kroatien bringt Flüchtlinge mit Sonderzügen- und -bussen an die slowenische Grenze.

"Eine Politik des Durchwinkens von Flüchtlingen in ein Nachbarland ist nicht akzeptabel", heißt in dem Vorbereitungspapier der EU-Kommission für das Treffen am Sonntag.

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Kroatiens Regierungschef Zoran Milanovic kann das nicht nachvollziehen. Mit Blick auf die Konferenzpapiere sagte er: "Wer das geschrieben hat, versteht die Lage überhaupt nicht." Die Vorschläge bewertete er als "völlig unrealistisch." Kroatien werde Flüchtlinge nicht über längere Zeit aufnehmen, statt sie wie bisher an Slowenien weiterzureichen. Er werde bei dem Treffen "keinerlei Verpflichtungen für Kroatien übernehmen". Vordringlich müsse die EU-Außengrenze in Griechenland gesichert werden.

Bulgarien, Rumänien und Serbien drohten mit der Schließung ihrer Grenzen für Flüchtlinge. Die drei Staaten würden ihre Grenzen abriegeln, sollten Deutschland, Österreich oder andere Staaten dies tun, sagte der bulgarische Regierungschef Boiko Borissow am Samstag.
"Wir werden unsere Völker nicht zur Pufferzone für die Flüchtlingsströme werden lassen, die zwischen der Türkei und den bereits errichteten Zäunen bleiben werden", betonte der bürgerliche Regierungschef Bulgariens mit Blick auf den ungarischen Grenzzaun. Am Vortag hatte der österreichische Außenminister Sebastian Kurz gesagt, Zäune könnten zum wirkungsvollen Schutz der Grenzen beitragen.

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(pst/dpa)
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