Patrick Deuß ist unter Morales Torwart Nummer eins gewordenZukunft gibt es im Fußball nicht
Alicante (rpo). Patrick Deuß könnte als Synonym für den Düsseldorfer Erfolg stehen, der sich in dieser Saison für viele so unvermittelt eingestellt hat und selbst Trainer Massimo Morales überraschte. Fast heimlich, still und leise haben sich die Fortunen nämlich zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammengefunden. Von großen Tönen, spektakulären Siegen und Protzereien gibt es bislang keine noch so kleine Spur. Im Gegenteil: Unter der Regie von Morales arbeiten die Kicker mit ihren Füßen statt mit dem Mund, beschränken sich wohltuend auf das, was sie können. Und dazu gehört mit Patrick Deuß ein ganz besonderer Leisetreter. Der Torhüter ist unauffällig und sieht sich wie die anderen nur als Teil der Gemeinschaft. Erstaunlich ist die Kraft des 24-Jährigen: Denn wie andere, muss er sich neben Fußball besonders intensiv auch mit anderen Dingen des Lebens beschäftigen. Und das gelingt ihm mit Erfolg. Der Schlaumeier hat an der Wuppertaler Uni nämlich gerade erfolgreich seine Prüfungen zum Bachelor abgelegt. Mit einem Notenschnitt von 1,6 ist der Wirtschaftsmathematiker mit nur einem Zehntel an der Note "1 minus" vorbeigeschlittert. Anfang Januar hatte er seine letzte Prüfung absolviert, war ins Trainingslager nachgereist. Bei den Übungen unter dem neuen Torwarttrainer Herbert Becker oder beim Testspiel gegen den Hamburger SV hinterließ er aber keineswegs einen gestressten Eindruck. "Ich fühle mich pudelwohl, der Sport ist der richtige Ausgleich zum Büffeln für die Uni", sagt Deuß. Vor eineinhalb Jahren war der "Keeper aus Leidenschaft" eher zufällig nach Düsseldorf gekommen. Der Vertrag für ein weiteres Jahr in Remscheid war fertig und beide Seiten hatten sich bereits mündlich geeinigt. "Mein Arbeitgeber machte damals aber plötzlich einen Rückzieher, wollte davon nichts mehr wissen und ich stand auf der Straße." Über einen Bekannten, der Draht zu Uwe Weidemann hatte, gelangte Deuß an den Flinger Broich. In der Hinrunde der laufenden Saison wurde er für manchen überraschend von Morales zur Nummer eins gekürt. Bis auf den Pokal-Fight gegen Gladbach stand Deuß in allen Partien der Hinrunde im Kasten - und machte seine Sache dabei sehr gut.Das Doppel-Leben Fußball und Uni hat Deuß bislang gut koordinieren können. Beinahe jeden Tag pendelt er zwischen dem Elternhaus in Remscheid, der Uni in Wuppertal und dem Trainingsgelände in Lohausen. "Meine Freundin hilft mir sehr dabei, das alles zu schaffen", sagt er. Katrin heißt die Frau, die er an der Uni kennen gelernt hat. Deuß' Leben ist extrem und widersprüchlich. An der Uni geht es sehr abstrakt zu, beim Überlebenskampf auf dem Fußballplatz dagegen sehr praktisch. Ob das zusammen passe? "Und wie!", sagt Deuß, der einzige Mathematiker unter den Fußballern weit und breit. "Ich stehe mit beiden Beinen im Leben", sagt er, um nicht den Eindruck aufkommen zu lassen, er sein ein verschrobener Einzelgänger und Bücherwurm. Fußball ist für ihn Spaß, der finanzielle Grundstein fürs Studium und Ausgleich zum Studium. Gerne hört er Punkrock und Metallica, liest Romane von Ken Follet. Eins hat er im Trainingslager gerade ausgelesen. Im Sommer will er das Studium beenden. Zwar besteht noch die Möglichkeit, dass er sich entschließt, den Doktor noch zu machen. Mit der Regionalliga will er sich wirklich noch nicht beschäftigen. "Wir müssen ja erst noch die Rückrunde spielen, das ist noch ein sehr weiter Weg", sagt er. Gedanken an die Zukunft lehnt er strikt ab. "Zukunft gibt es im Fußball nicht. Es geht im Prinzip immer nur um das nächste Spiel." Zu gut weiß Deuß, dass nach zwei verlorenen Spielen die öffentliche Stimmung völlig umschlagen kann und bei der geringsten Verletzung seine Karriereleiter nach unten zeigen könnte. "Fußball ist einfach unerbittlich. Schnell kann alles vorbei sein", erklärt Deuß. Deshalb hat das Studium bei ihm immer Priorität gehabt. "Es wurde vom Verein angedeutet, dass in nächster Zeit Vertragsgespräche geführt werden", erzählt Deuß. "Aus diesem Grund habe ich mir schon ein wenig überlegen müssen, wie das in Zukunft funktioniert." Da ab Juli keine Vorlesungen mehr anstehen, ist er ab Sommer terminlich unabhängiger und dann könnte er sich im Falle des Aufstieges in die Regionalliga auf den Mehraufwand mit den weiten Reisen konzentrieren. Gerne würde er natürlich auch in der nächsten Saison in Düsseldorf spielen. Denn schnell ist dem gebürtigen Remscheider die Fortuna ans Herz gewachsen. "Diese Fans, die das letzte Hemd für einen Sieg geben würden... Das ist einfach toll." Seit der F-Jugend hat er für Remscheid im Tor gespielt, war durch seinen Vater Fan von Bayer Leverkusen geworden. Sein Idol war immer Toni Schumacher, der während seiner Jugend im Tor der National-Mannschaft gestanden hatte. In der A- und B-Jugend spielte Deuß für Bayer Leverkusen, wechselte dann wieder in die Oberliga zu Remscheid. Im dritten Jahr folgte der Abstieg in die Verbandsliga. "Das war mein bislang schlimmstes sportliches Erlebnis. Das möchte ich nicht noch einmal mitmachen."Ideal findet er die Trainingsmöglichkeiten in Düsseldorf. "Mit dem neuen Torwarttrainer Herbert Becker macht das Arbeiten sehr viel Spaß. Ich habe das Gefühl, dass ich wirklich jeden Tag etwas Neues lerne." Seine Schwächen sieht er in der Strafraumbeherrschung, seine Stärken in der Reaktionsschnellkeit auf der Linie. Ein Talent, dem alles zufällt, ist er nicht. "Ich muss sehr viel arbeiten und üben." Sein schönstes Spiel? "Das war mein erstes für Fortuna", sagt Deuß wie aus der Pistole geschossen. "Das 0:0 gegen Viktoria Köln im Vorjahr. Vor dieser Kulisse, das war toll." Und die schönste Saison seiner Karriere? Das lässt er offen bis nach der laufenden Spielzeit. Steht am Ende der Aufstieg, dann würde er wohl die laufende Saison favorisieren. Sprechen möchte er über die Zukunft nicht. "Im Fußball gibt es schließlich keine Zukunft." Von FALK JANNING