EU-Herkunftssiegel im GesprächBrüssel prüft das Aus für "made in Germany"
Brüssel/Berlin (rpo). Das Qualitätsmerkmal "Made in Germany" gehört möglicherweise bald der Geschichte an. Die Europäische Kommission prüft im Auftrag von Außenhandelskommissar Pascal Lamy eine europäische Herkunftsbezeichnung.Derzeit analysiere die Behörde Vor- und Nachteile der europaweiten Herkunftsbezeichung "made in the EU", sagte die Sprecherin von Außenhandelskommissar Pascal Lamy am Montag in Brüssel. Ob bestehende nationale Herkunftsangaben in Zukunft parallel verwendet werden könnten, sei noch offen. Doch während der Kommission offenbar ein EU-weites Qualitätssiegel vorschwebt, laufen deutsche Industrie und Markenexperten Sturm gegen die Idee. Die Überlegung der EU-Kommission zur Abschaffung von "made in Germany" sei ein "Frontalangriff auf deutsche Qualitätsstandards", kritisierte der Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW), Mario Ohoven in Berlin. Er forderte die Bundesregierung auf, in dieser Frage in Brüssel hart zu bleiben. Die Produktbezeichnung "made in Germany" stehe für innovative und langlebige Erzeugnisse. Eine verwässerte EU-Bezeichnung bedeute einen massiven Wettbewerbsnachteil, betonte Ohoven. Bisher keine VorschriftenDer Vorschlag, eine in einem EU-Land produzierte Ware entsprechend zu kennzeichnen, sei von Branchen wie der Textilindustrie sowie von Mitgliedstaaten - vor allem Italien - gekommen, erläuterte Lamys Sprecherin in Brüssel. Voraussichtlich Ende März wolle die Kommission ihre Untersuchungen vorstellen, an denen die Industrie und Verbraucherschutzorganisationen sowie die Mitgliedstaaten beteiligt würden. Derzeit gibt es für Herkunftskennzeichnungen in der EU keine Vorschriften. Ein "made in EU" könne auf den internationalen Absatzmärkten europäische Produkte bewerben und würde eine zusätzliche Information für die Kunden darstellen, sagte die Sprecherin. Dagegen stünden höhere Kosten für die Industrie. Sichergestellt werden müsse, dass eine neue Kennzeichnung nicht gegen EU-Rechtsvorschriften und internationale Handelsbestimmungen verstoßen würde. Bislang habe die Kommission noch keine Präferenz, ob die Angabe "made in EU" freiwillig verwendet oder zur Pflicht gemacht werden solle, sagte die Sprecherin. "Verheerender Effekt"Der Wegfall der länderbezogenen Bezeichnung hätte einen "verheerenden Effekt auf Firmen, die ihr Marketing auf ländertypische Eigenschaften stützen", warnte dagegen Terry Tyrrell, Chef des Marketingberaters Enterprise IG in der "Financial Times Deutschland" (Montagausgabe). "Man stelle sich nur vor, ein französisches Parfüm müsse künftig mit 'made in the EU' gekennzeichnet werden." Auch für Produkte wie Autos, Speisen, Getränke und Kleidung sei die Verbindung mit dem Herkunftsland enorm wichtig, sagte Markenexperte Wally Olins der "FTD". "made in EU" sei dafür kein Ersatz. Dass das Label "made in Germany" zur Zier werden würde, war bei seiner Einführung allerdings nicht abzusehen: Zu Beginn der industriellen Produktion in England kopierten deutsche Hersteller englische Markenprodukte. Die Qualität ließ jedoch stark zu wünschen übrig. Um den englischen Markt zu schützen, beschloss das englische Parlament 1887 den "Merchandise Marks Act". Von nun an mussten alle Waren, die aus dem deutschen Reich nach England geliefert wurden, mit "made in Germany" gekennzeichnet werden. Was als Zeichen für schlechte Qualität gedacht war, wandelte sich um die Jahrhundertwende: Deutsche Produkte übertrafen bald die englischen Qualitätsnormen und "made in Germany" entwickelte sich zu einem bis heute gültigen Qualitätsmerkmal.